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Hallerin (64) meistert
sehr seltene Krankheit

Karin Diehl leidet seit langem an Lungenhochdruck

Von Klaudia Genuit-Thiessen
Halle (WB). Keuchen bis zum Kollaps - seit mehr als 20 Jahren lebt Karin Diehl mit Luftnot. Die 64-jährige Hallerin leidet an der schwersten Form des Lungenhochdrucks, der so genannten pulmonialen arteriellen Hypertonie. Diese lebensbedrohliche Krankheit ist ungewöhnlich selten: Kaum 1000 Menschen sind in Deutschland von ihr betroffen.

Ende der 90-er Jahre stand Karin Diehl sogar auf der Warteliste für eine Herz-Lungen-Transplantation. Doch sie hatte großes Glück: Bei einem achtstündigen Test im Universitätsklinikum Gießen fanden die Ärzte einen Wirkstoff, auf den sie positiv reagierte. Seitdem schluckt die Hallerin täglich einen Medikamenten-Cocktail, der es in sich hat: drei mal eine Tablette Adalat SL, drei mal eine Herzpille, eine Tablette Marcumar zur Blutverdünnung, eine zur Cholesterin-Senkung, ein Vitamin-D-Präparat für die Knochendichte, drei mal zwei Dragees auf pflanzlicher Basis für die Bronchien. Und drei mal 20 Magentropfen Iberogast, damit sie nicht schlimmes Sodbrennen bekommt.
43 Jahre ist Karin Diehl, als sie das erste Mal auf der Treppe umkippt. Die Ohnmacht wird ihr ständiger Begleiter. Die geringste Anstrengung und sie fühlt, wie sich alles verkrampft und ihr Kopf heiß wird. Die Notariatsfachkraft, die bis vor zwei Jahren in der Kanzlei Lang, Jöstingmeier und Ernst tätig war, klappert Arztpraxen ab. Wenn die Schwäche kommt, muss sie sich sofort hinlegen. An ein normales Leben ist längst nicht mehr zu denken.
1996 kippt sie wieder einmal auf dem Bürgersteig um. Im Städtischen Krankenhaus Bielefeld wird eine Rechtsherzkatheder-Untersuchung gemacht. Schließlich schickt der Steinhagener Lungenfacharzt Dr. Reiner Schröder sie an die richtige Adresse: ans Klinikum Bergmannsheil in Bochum, wo Fachleute die Diagnose stellen.
Mit einem Herzmedikament wird sie fürs erste entlassen. Migräne gehört zu den Nebenwirkungen und schreckliches Nasenbluten. Zu Hause kann sie nicht einmal mehr Staub saugen.
Doch mit ihrer Nichte steigt sie im November 1997 einmal in ein Riesenrad, ein Fehler mit dramatischen Folgen. Die eiskalte Luft, die sie einatmet, führt zu einer Lungenentzündung. Im Krankenhaus Werther kämpfen Lungenfacharzt Dr. Rüdiger Tillmanns und sein Team eine Nacht lang um ihr Leben. Als sie nach vier Tagen transportfähig ist, bringt man sie wieder nach Bochum.
Dort schicken die Ärzte sie weiter nach Gießen, wo Forscher einen Wirkstoff suchen, der die Lungengefäße so weitet, dass sie wieder Sauerstoff aufnehmen. Sie finden schließlich einen Calciumantagonisten, ein »Hammermedikament«. Fast im letzten Moment: Wenige Monate später hätte ihr niemand mehr helfen können. Entdeckt wird auch der Auslöser der Krankheit: vermutlich eine nicht erkannte Herzmuskelentzündung in den 70-er Jahren.
Sieben Monate ist Karin Diehl krank geschrieben. Dann darf sie wieder ins Büro. Mit Behindertenausweis, viel Schonung und mit der Hilfe ihrer Tochter Claudia meistert die Witwe ihr Leben. Sie ist Optimistin, ein positiv denkender Mensch, der jeden Tag zu Fuß kleine Besorgungen in der Stadt macht: »Ich genieße das Leben von meinem Sessel aus«.

Artikel vom 18.05.2006