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Flair des Morgenlandes erfahren

Stefanie Viereck liest Prosa und Lyrik iranischer Autoren auf Gut Böckel

Rödinghausen-Bieren (öse). Die wunderschöne Idylle des Rittergutes Böckel und das geheimnisvolle Flair des MorgenlandesÊ -Ê können solche Gegensätze harmonieren?Karen Leffers und Stefanie Viereck im Garten des Gutes Böckel. Texte aus dem Iran standen im Mittelpunkt einer Veranstaltung der Hertha-Koenig-Gesellschaft.Foto: Gitta Wittschier
Ganz vortrefflich, es war gar eine Symbiose der besonderen Art, der das Publikum am Sonntagnachmittag Aufmerksamkeit schenkte. Stefanie Viereck, Literatin und Journalistin, ließ Gäste und Mitglieder der Hertha-Koenig-Gesellschaft die Köstlichkeiten orientalischer Sprachkünste genießen. Wer durch die Torbögen des Rittergutes spazierte, fand sich hinterher an der »Achten Pforte« wieder. Mit diesem Titel war die Lesung überschrieben, die sich mit klassischer persischer Lyrik, zeitgenössischen Texten, Aphorismen und Prosa aus dem Iran beschäftigte. Die Idee zu der Lesung mündete deshalb in Wort und Tat, weil Börries von Oeynhausen und sein Freund Philip Knocke den Iran per Studienreise erkundeten und Foto-Impressionen dem Publikum präsentieren wollten.
»Die blumig ausgeschmückte Lyrik und Prosa persischer Dichter bot sich hier einfach als literarische Begleitung an«, zeigte Stefanie Viereck Begeisterung für die Fotoserie, die im Anschluss an ihre Lesung auch das Publikum in ihren Bann zog. Die Schwester der Gastgeberin Karen Leffers hat mit ihrem Buch »Der blaue Grund« und der Erzählung »Isabelle bei den Fischen« eigene Berühmtheit erlangt und bei Lesungen anderer Autoren auch Vor- und Nachworte verfasst. »Sein Inneres war wie eine gespaltene Frucht, er vergaß wie die Kerze in der Nacht das Schlafen. Der Morgen zog sein leuchtendes Gewand aus Brokat an, das Quecksilber der Sterne schmolz dahin«. Diese poetischen, von Liebesschmerz erfüllten Worte fand der Dichter Nizami für sein Liebesepos »Leila und Madschun«. Das Liebespaar soll in der zweiten Hälfte des siebten Jahrhunderts gelebt haben. Das Epos von Nizami, den Johann Wolfgang von Goethe einst als »zarten, hoch begabten Geist« bezeichnete, hat viele Jahrhunderte überdauert, erfreut sich noch heute großer Popularität.
Etwa 100 Jahre später als Nizami, nämlich im 13. Jahrhundert, erblickte der Dichter Saadi das Licht der persischen Welt. Aphorismen über die rechte Lebensart waren seine Spezialität. Abbas Maroufi wagte stets einen kritischen Blick auf die Politik im Iran. Bis 1996 war er Herausgeber einer oppositionellen Literaturzeitschrift, danach den Repressalien der Mullahs ausgesetzt. Internationale Proteste führten dazu, dass er in Deutschland Asyl fand. Noch auf dem Nachhauseweg ließ mancher die mit so viel Fantasie angereicherte Lesung Revue passieren. Die nächsten Veranstaltungen auf Gut Böckel sind ein Anstecker von »Wege durch das Land« (2. Juli) sowie der »Russische Sommer« im August mit zwei Veranstaltungen, darunter ein Konzert der Nordwestdeutschen Philharmonie.

Artikel vom 18.05.2006