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»Unten bei den Leuten bleiben«

Ulrich Ritzel liest im Literatursommer aus seinem Roman »Uferwald«

Gütersloh (kh). Auch wenn die Ermittlungen in diesem Buch ohne den bekannten Kommissar Berndorf auskommen müssen - die rund 70 Zuhörer im Palmenhauscafé lauschten gespannt den Worten von Ulrich Ritzel. Der Kriminalautor las am Dienstag im Rahmen des Literatursommers Auszüge aus seinem neuen Roman »Uferwald« und beantwortete anschließend ausführlich Fragen zu sich und seinem Werk.
Die Geschichte beginnt für die Kommissare Tamar Wegenast und Markus Kuttler, die beiden Nachfolger von Kommissar Berndorf, mit dem Fund der mumifizierten Leiche einer alten Frau, die über Monate unentdeckt in ihrer Wohnung gelegen hat. Erst über das Tagebuch des in einer Silvesternacht bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommenen Sohnes der Frau, Tilman, stellt Kommissar Kuttler fest, dass hinter dem vermeintlichen Routinefall mehr steckt. Für seine Ermittlungen verschlägt es ihn bis nach Paris, wo er die große Liebe Tilmans, Solveig, sucht.
Ulrich Ritzel fesselt seine Zuhörer mit seiner sehr detailreichen Schilderung der Personen und der Umgebungen. Immer wieder springt die Geschichte zu verschiedenen Szenen und unterschiedlichen Erzählern. Ein Hauptstrang sind die Tagebuchberichte Tilmans, einem jungen Jurastudenten, der das Geschehen um sich herum und in seiner Clique eher zynisch wahrnimmt, ohne wirklich zu begreifen, auf was er sich einlässt. Auf der anderen Seite stehen die Gefühle, Gedanken und Erlebnisse des Kommissar Kuttler, der es sich zum Ziel gesetzt hat, diesen Fall aufzuklären.
Ulrich Ritzel studierte Jura, bevor er über den Journalismus zum Schreiben von Kriminalromanen kam. »Das Buch ist auch ein Portrait des Autors«, erläuterte Ritzel auf Nachfragen seines Publikums. Ausführlich begründete der Kriminalschriftsteller auch den Wechsel seines Protagonisten. Zum einen habe er verhindern wollen, dass er mit der Beschreibung seiner Figur von Kommissar Berndorf in die Routine gerate, zum andern passe die eher väterliche Figur nicht gut zu der Einbindung von Tilman. »Ich wollte außerdem eine Geschichte schreiben, die unten bei den Leuten bleibt«, betonte Ritzel, der mit diesem Buch auch Abstand zu seinen sonst politischen Bezügen in den ersten Büchern nehmen wollte. »Die deutsche Innenpolitik ist mir fast gleichgültig geworden«, gestand er seine Unzufriedenheit mit der derzeitigen Politik. Ganz hat ihn die Politik dennoch nicht in Ruhe gelassen. Erst am vergangenen Freitag wurde Ritzel informiert, dass er zu den Journalisten gehörte, die vom BND observiert wurden.

Artikel vom 18.05.2006