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Döner Kebab ohne das Finanzamt gegrillt

Ehepaar betrieb türkischen Imbiss und hinterzog Steuern - Insolvenz und Bewährungsstrafe


Von Hubertus Hartmann
Paderborn (WV). Wieviele Döner kann man aus einem Kilo Fleisch produzieren, und wie hoch ist der Gewinn? Drei Jahre haben Steuerfahndung und Verteidiger diese Fragen kontrovers diskutiert. Der Prozess vor dem Paderborner Landgericht endete gestern mit einem taktischen Geständnis und milden Strafen.
Mit einem Eisstand hatten sich Sevgi A. (46) und ihre Ehemann Necdet (51) 1993 selbstständig gemacht. Danach betrieben sie zehn Jahre lang einen türkischen Imbiss in Paderborn.
Inzwischen haben sie Insolvenz angemeldet und sind »wirtschaftlich komplett ruiniert«, wie ihr Rechtsanwalt sagt. Das Finanzamt fordert von dem Ehepaar 264 000 Euro Steuern nach. »Aber wir haben nichts mehr, nur noch Schulden«, beteuert die Angeklagte.
Steuerfahnder hatten im Frühjahr 2003 ihren Laden auf den Kopf gestellt und Lücken in der Buchführung sowie unerklärliche Geldzuflüsse in sechsstelliger Höhe auf dem Sparkonto des Ehemannes entdeckt.
Nach Rechnung der Finanzbeamten hatten die Kleinunternehmer in den zurückliegenden sechs Jahren zwar erhebliche Gewinne gemacht, aber zu wenig Steuern gezahlt. In der Branche seien so genannte »Rohgewinnaufschläge« (das Verhältnis von Wareneinsatz und Nettoverkaufspreis) bis zu 250 Prozent üblich, rechneten die Beamten vor. »Völlig unrealistisch«, hielt der Verteidiger dagegen. Geld werde mit Pommes verdient, doch seine Mandantin habe nur Döner Kebab und Lahmacun verkauft. Und die vom Fiskus pauschal mit 20 Prozent angesetzten »Bratverluste« seien in Wirklichkeit viel höher.
»Wenn wir so viel Steuern hinterzogen hätten, wären wir längst Millionäre«, so Sevgi A.
Nach einer zweieinhalbstündigen Debatte, gewürzt mit prozessökonomischen »Rabatten«, einigten sich Anklagebehörde, Gericht und Verteidigung schließlich auf ein formales Geständnis, eine Schadenssumme von »nur« 88 000 Euro und geringe Strafen: Die Ehefrau als Imbissbetreiberin erhielt wegen Steuerhinterziehung eine Bewährungsstrafe von 15 Monaten; sie muss zudem 100 Sozialstunden leisten. Der Ehemann wurde nur wegen Beihilfe verurteilt und kam mit sechs Monaten auf Bewährung sowie 50 Sozialstunden davon.
Ein Urteil, mit dem Staatsanwältin Katja Gusek nicht unbedingt zufrieden schien: »Durch ihre türkische Herkunft und die bestehenden Verbindungen in ihr Heimatland können die Angeklagten ihre Vermögensverhältnisse wesentlich besser verschleiern als jemand, der in Deutschland auf Lohnsteuerkarte arbeitet«, merkte sie in ihrem Plädoyer an.

Artikel vom 17.05.2006