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»Fußballpapst« auf Stippvisite

Sicherheitsstufe eins für FIFA-Präsident Blatter und Minister Schäuble

Von Hubertus Hartmann
Paderborn (WV). Hätte sich Herr Blatter doch bloß etwas Zeit genommen. Aber 25 Tage vor dem Anpfiff der Fußball-Weltmeisterschaft war der FIFA-Präsident gestern bei seinem Paderborn-Besuch derart in Eile, dass ihm etwas entging.

Der mächtige Chef des Weltfußballverbandes ist aus der Schweiz angereist, um im Rahmen der Paderborner Sportgespräche gemeinsam mit Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble über die »Bedeutung der Fußball-WM 2006 für Staat und Gesellschaft« zu diskutieren. Das Medieninteresse ist so dicht vor der WM natürlich groß. Mehr als 60 Journalisten und ein halbes Dutzend Kamerateams sind akkreditiert.
Auf dem Campus herrscht am Nachmittag noch »Business as usual«. Vorlesungen und Seminare scheinen die Studenten mehr zu interessieren als die Fußball-Debatte. Einige haben immerhin ein Transparent aufgehängt: »Die Fachschaft Mathematik grüßt den Innenminister des künftigen Weltmeisters«. Auf dem gesamten Uni-Gelände, im Audimax und im Hotel »Campus Lounge« Gebäude durchstöbert derweil drei Polizeihunde jeden Winkel. Die Beamten Bernhard Günther (Paderborn), Ralf Schröder (Minden) und Ralf Busse (Bielefeld) sollen mit ihren Sprengstoffschnüfflern »Kira«, »DJ« und »Anton« sicherstellen, dass nirgendwo eine Bombe versteckt ist. »Ansonsten ist das für uns Routine«, erläutert Polizeisprecher Michael Biermann. Den Personenschutz übernimmt das Bundeskriminalamt.
Der Innenminister und der »Fußballpapst« - für beide gilt die höchste Sicherheitsstufe - treffen 30 Minuten vor Beginn ein. Schäubles Hubschrauber landet auf dem Uni-Sportplatz, Blatters Dienstjet in Ahden. In der »Campus Lounge« gibt es eine Unterredung unter acht Augen. Was Blatter, Schäuble, Uni-Rektor Nikolaus Risch und Sportprofessor Wolf-Dietrich Brettschneider in der Loungebar beim Kaffee besprechen, bleibt intern. Unmittelbar vor seinem Besuch in Paderborn war der FIFA-Präsident bei Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin. »Ich hoffe, Sie haben geklärt, dass wir ins Endspiel kommen«, scherzt Minister Schäuble.
Kurz nach 18 Uhr beginnt die Veranstaltung, und Wolf Brettschneider plaudert entgegen der Absprache doch noch aus dem Nähkästchen. »Wir haben im Vorgespräch Einiges klargestellt: Die Chancen der deutschen Mannschaft steigen ins Unermessliche«, verrät er grinsend.
Gut eine Stunde Diskussion, danach Pressekonferenz, und weg sind sie wieder.
Holger Kriegs, Küchenchef der Mensula, hatte schon vor ein paar Tagen »Entwarnung« bekommen. Ursprünglich sah die Choreographie nach dem offiziellen Teil des Programms ein gepflegtes Abendessen im kleinen Kreis von 20 bis 21 Uhr in dem Campus-Restaurant vor. Das musste nun ausfallen, weil der viel beschäftigte FIFA-Boss keine Zeit hatte. Was ihm entgangen ist? Jakobsmuscheln mit Granny Smith und Mandeln oder Schaumsuppe von Radischenblättern mit gebratenem Zander oder Filet vom Rind mit Dattel-Zimtkruste und Okra... Herr Blatter hat's verschmäht und ein Schnellmenü im Flieger vorgezogen.

Artikel vom 16.05.2006