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Künsebecker Haus im Museum

Frühmittelalterliche Höfe schon 1950 in Sandgrube Bohnemeier entdeckt

Von Klaus-Peter Schillig
Halle-Künsebeck (WB). Jahrzehntelang waren die sensationellen Funde der archäologischen Ausgrabungen in der Sandgrube Bohnemeier/Prange in den Archiven verschwunden. Jetzt wird eins der dort nachgewiesenen Gebäude im Freilichtmuseum Oerlinghausen als Rekonstruktion wieder aufgebaut. Gestern war »erster Spatenstich« für das aufwändige Vorhaben.

Anfang der 50er Jahre war der Heimatforscher Heinrich Meise bei Erweiterungsarbeiten der Sandgrube an der Kreuzung Teichstraße und B 68 in Künsebeck auf Scherben und einen tönernen Schöpflöffel gestoßen, hatte Verfärbungen im Sand entdeckt - und das Landesmuseum für Vor- und Frühgeschichte alarmiert. Trotz knapper Mittel und wenig Zeit entdeckten die Archäologen zwischen 1950 und 1957 auf einer Fläche von 4560 Quadratmetern 1000 Befunde, mehr als 2000 Keramikscherben und 140 weitere Relikte. Deutlich zu erkennen waren die Grundrisse von 15 Pfostenhäusern sowie von 16 in den Boden eingelassenen Grubenhäusern.
Nach Erkenntnissen der Wissenschaftler stammen nicht alle Gebäude aus der gleichen Zeit, sondern bilden eine kleine Siedlung um zwei frühmittelalterliche Bauernhöfe, die etwa im sechsten bis achten Jahrhundert hier existiert haben. Nach den Funden zu urteilen könnte es sich hier um sächsischstämmige Bewohner gehandelt haben. Nahe der Siedlung wurden auch noch sieben Körpergräber entdeckt, die möglicherweise aber etwas jüngeren Datums sind. Die sterblichen Überreste lagen zudem nicht in der typischen Rückenlage, sondern recht pietätlos und in Kauerstellung.
Alle Erkenntnisse sind allerdings erst in den vergangenen Jahren gewonnen worden. Bis 1997 nämlich wurden die Funde nur in Münster archiviert, seitdem aber werden sie von der Universität Marburg ausgewertet. Aus dieser Auswertung stammen auch die Pläne für den Bau des frühmittelalterlichen Langhauses. Im Schnitt 25 Meter lang waren die schiffsförmigen Häuser unserer Vorfahren, auch die Ausstattung soll in Oerlinghausen authentisch nachvollzogen werden.
Schon beim Bau, der ein Jahr dauern soll, werden sich die Handwerker ins Mittelalter zurückversetzt sehen. Denn die rohen Baumstämme werden nicht anders bearbeitet als vor 1300 Jahren. Das Gebäude ersetzt ein in den späten 70er Jahren im Museum entstandenes, aber inzwischen stark renovierungsbedürftiges Langhaus. Nach der Fertigstellung im Jahr 2007 soll das »Künsebecker Haus« auch Bestandteil der neuen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen werden. Im Rahmen der »dramapädagogischen« Nutzung können beispielsweise Schulklassen für Stunden ganz ins Frühmittelalter eintauchen - auch in die Kleidung.

Artikel vom 16.05.2006