13.05.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Von Hubertus Hartmann

Paderborner
Perpektiven

E.ON - die Energie-Buhmänner


Gäbe es den offiziellen Titel »Buhmann des Jahres« - die E.ON Westfalen Weser AG (EWW) hätte gute Chancen, ganz oben auf dem Treppchen zu stehen. Knallrot leuchtet das Logo des Unternehmens. Vielen Kunden treibt schon der Anblick die Zornesröte ins Gesicht. Die Preisgestaltung des heimischen Energieversorgers bringt von Herford bis Hameln Verbraucher auf die Palme. Wer im Winter das Thermostat in seinem Wohnzimmer nur ein Grad höher dreht, tut dies mit bangem Blick auf sein Konto. Jeder Klick auf den Startknopf des Computers oder der Kaffeemaschine lässt den Stromzähler fröhlich rotieren. Die seit Jahren beständig steigenden Energiepreise reißen immer größere Löcher in die Haushaltskasse.
Mit der Initiative »Gaspreise runter« hat sich im Paderborner Land eine starke Bürgerbewegung gegen das Preisdiktat des Unternehmens formiert. Rund 6000, also mehr als neun Prozent der insgesamt 65 000 Gasbezieher von EWW, verweigern seit langem die Bezahlung ihrer Rechnung oder überweisen nur Abschläge. Sie verlangen eine Offenlegung der Preiskalkulation und mehr Transparenz (was übrigens auch für die komplizierten, beinahe nur noch von Wirtschaftskundigen zu verstehenden Jahresabrechnungen gilt).
Neben den Gaspreisrebellen gibt es inzwischen auch einige wenige Strompreisverweigerer. Deren Zahl könnte aber schon bald kräftig klettern. Denn beim Strom setzt EWW ebenfalls zum ganz großen »Schluck aus der Pulle« an. Dabei war Paderborn in der Vergangenheit eine Insel der Glückseligen. Kaum anderswo in Deutschland konnten Verbraucher den »Saft« aus der Steckdose so günstig beziehen wie zwischen Egge und Senne. Vorbei die rosigen Zeiten. Zum Jahresbeginn hatte EWW die Preise für Haushaltskunden bereits um 6,8 Prozent angehoben und immer noch damit geworben, man zähle nach wie vor zu den preisgünstigsten Anbietern Deutschlands.
Heimlich still und leise beantragten die Strommänner von der Pader beim Düsseldorfer Wirtschaftsministerium aber bereits die nächste Preisrunde. Als bislang landesweit einziger Energieversorger wollen die Paderborner vom 1. Juli an »vorsorglich« bis zu 1,91 Cent je Kilowattstunde mehr kassieren und würden damit zum teuersten Anbieter zwischen Rhein und Weser. Ein Aufschlag von happigen 13,6 Prozent - wenn es denn wirklich so kommen sollte. Was allerdings unwahrscheinlich ist. Das Wirtschaftsministerium hat dem »roten Riesen« bereits die Gelbe Karte gezeigt: So geht es nicht.
Die Aufsichtsbehörde hegt unter anderem den Verdacht, dass die Paderborner ihre 200 000 Großkunden auf Kosten der 550 000 privaten Haushalte subventionieren. Der »kleine Mann« finanziert möglicherweise also mit höheren Preisen die vergleichsweise günstigen Bezugskosten für die »Großen«. So empfindet es jedenfalls der gebeutelte Bürger und ärgert sich. Zumal, wenn der E.ON-Mutterkonzern zeitgleich neue Rekordüberschüsse vermeldet: 1,7 Milliarden im ersten Quartal, 18 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Wozu EWW beigetragen hat.
Auch wenn Düsseldorf dem erneuten Dreh an der Preisschraube Einhalt gebietet, haben allein der Antrag und die Paderborner Vorreiterrolle wieder viel Porzellan zerschlagen und weitere Kratzer im öffentlichen Erscheinungsbild von EWW hinterlassen. Da kann das Unternehmen noch so viel Energie in die Imagepflege investieren, mit einem Millionenbetrag Sport, Kultur und Heimatpflege in der Region fördern. An die 100 D-Jugend-Mannschaften im Netzgebiet freuen sich über neue Trikots, unzählige Feste oder Großveranstaltungen wie das internationale Paderborner Reitturnier auf dem Schützenplatz, der bundesweit bekannte Osterlauf oder die in ganz Europa beachtete Canossa-Ausstellung wären ohne EWW-Sponsoring schwierig zu realisieren. Trotzdem sieht der Verbrauer zuerst seine eigene Abrechnung und ist sauer.
Nicht zuletzt auf »seine« Politiker. Immerhin liegt der kommunale Anteil an E.ON Westfalen Weser bei 37 Prozent. Allein die Stadt Paderborn hält 10,93 Prozent und darf sich über rund 7,7 Millionen Euro Dividende für das vergangene Jahr freuen. Ob dieses erkleckliche Sümmchen für den Kämmerer letztlich von den Strom- und Gaskunden finanziert wird, mag eine Frage der Interpretation sein. Die Bürger verlangen aber zu Recht, dass der Bürgermeister im Aufsichtsrat ihre Interessen vertritt und (öffentlich) seine Stimme gegen Preistreiberei und Abzocke erhebt.
Wie schreibt EWW doch so treffend auf seiner Homepage: »Die sichere und preiswerte Energie- und Wasserversorgung für Industrie, Gewerbe, Landwirtschaft und Haushalte (man beachte die Reihenfolge!) steht im Mittelpunkt der Aktivitäten des Unternehmens mit rund 1800 Mitarbeitern«. Nehmen wir sie beim Wort. Oder wechseln zu einem günstigeren Anbieter, was bald ja auch beim Gas möglich wird. Zu befürchten ist nur, dass die Konkurrenz schnell nachzieht und ihre so gern zitierten »höheren Beschaffungskosten« ebenfalls weitergibt.

Artikel vom 13.05.2006