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Vor neuen Herausforderungen

Wettbewerb für Werkstätten wird schwieriger - Strategien gefragt

Lübbecke (jug). Wie kann man die Zukunft gemeinsam gestalten? Wie kann die Arbeit in den Werkstätten zukunftsfähig und -sicher gemacht werden? Um die künftigen Herausforderungen und Strategien, wie diese zu bewältigen sind, ging es gestern im offiziellen Teil des 1. Westfälischen Werkstättentages (wir berichteten mehrfach).

Maria Seifert, Vorsitzende der Landschaftsversammlung, dankte zunächst den Ideengebern dieser Veranstaltung: »Das ist ein Signal, das dokumentiert, wie wichtig die Werkstätten sind.«
Die Eingliederungshilfen für behinderte Menschen zählen zu den Hauptaufgaben des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, so dessen Sozialdezernent Dr. Fritz Baur. Gemeint seien damit Menschen mit einer zumeist geistigen oder Mehrfachbehinderung, die zeitlebens auf fremde Hilfe angewiesen seien. Rund 34 000 behinderte Menschen arbeiteten in den 60 Werkstätten in Westfalen-Lippe. »Und es ist mit weiteren Zuwächsen zu rechnen«, so Baur, und nannte 10 bis 15 Prozent jährlich als realistisch. Die steigende Zahl Betroffener sei ein besonderes Phänomen, bedingt vor allem durch den medizinischen Fortschritt, der heute oft auch schwer behinderten Menschen glücklicherweise ein deutlich längeres Leben ermögliche. Einen deutlichen Zuwachs gebe es aber auch im Bereich der psychisch Erkrankten. 30 bis 50 Prozent der betroffenen Erwachsenen stünden zuvor noch voll im Erwerbsleben, bevor sie erkrankten. Nach Auskunft von Bernd Wlotkowski, Geschäftsführer der Lübbecker Werkstätten, hat sich in Lübbecke die Zahl dieser Betroffenen im Laufe der vergangenen zehn Jahre etwa auf 180 bis 190 verdoppelt.
Wie Horst Bohlmann, Vorstandschef der Lebenshilfe Lübbecke, betonte, gehe es grundsätzlich nicht nur um das Betreuen, sondern um das Beschäftigen der Betroffenen. »Und hier haben die Werkstätten kein Monopol, der Wettbewerb wird auch hier immer schwieriger«, und das trotz kleiner Wettbewerbsvorteile.
Angesichts des steigenden Kostendrucks, die der Zuwachs an geistig und mehrfach behinderten Menschen in den Werkstätten mit sich bringe, müsse sich der LWL etwas einfallen lassen, um mit dem selben Geld mehr Leistung zu erbringen. »Über Reduzierung reden wir momentan nicht«, so Baur, aber auch finanzielle Steigerungsraten seien nicht drin.
Gegen den steigenden Wegfall einfacher Arbeiten und Verlagerungen ins Ausland müsse man mit Fertigungstiefe und zeitgemäßen Technologien gegensteuern, betonte Bernd Wlotkowski mit Blick auf die Arbeit der Lübbecker Werkstätten, »wir werden uns auch verstärkt im Dienstleistungsbereich umsehen.« Grundsätzlich gelte: »Die Werkstätten werden sich umstellen müssen.«
Volker J. Odenbach, Direktor des Caritasverbandes für das Erzbistum Paderborn und Vertreter der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in Westfalen-Lippe, nannte als eine neue Idee die Auslagerung von Werkstätten-Plätzen in die entsprechenden Firmen, wie dies beispielsweise bereits in Paderborn in Kooperation mit einem Verpackungsunternehmen realisiert werde.
Skeptisch bewertet Odenbach das ursprüngliche Ziel, die Wiedereingliederung behinderter Menschen aus den Werkstätten in den ersten Arbeitsmarkt: »In der augenblicklichen Situation ist das nicht möglich«, und das werde sich auch nicht ändern, ergänzte Dr. Fritz Baur.

Artikel vom 12.05.2006