09.05.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Bürgerentscheid war nützlich«

Theater: WESTFALEN-BLATT-Interview mit Karin Miele zum Neubau-Votum

Gütersloh (WB). Bevor der Gütersloher Rat einen Grundsatzentschluss zum Theaterbau treffen konnte, haben sich die Konzerne festgelegt. Für Bertelsmann und Miele kommt nur ein Neubau in Frage. Bestellen die Konzerne damit die Musik, die größtenteils von der Stadt später zu zahlen ist, will WESTFALEN-BLATT-Redakteur Stephan Rechlin von Karin Miele wissen, die unter anderem im Vorstand des Theater-Fördervereins engagiert ist.

Bertelsmann und Miele wollten bereits vor vier Jahren den Bau eines neuen Theaters unterstützen und legen sich nun wiederum auf einen Neubau fest. Paart sich hier Großzügigkeit mit westfälischer Sturheit?
Karin Miele: Großzügigkeit ja, Sturheit nein. Der erneuten Entscheidung für einen Theater-Neubau ist in den Häusern Bertelsmann und Miele ein aufwändiges Prüfverfahren vorangegangen. Der vom Münchener Architekten Reinhold Daberto vorgeschlagene Umbau der Paul-Thöne-Halle ist ernsthaft erwogen worden. Finanz- und Bauexperten haben die Machbarkeitsstudie analysiert, sich die Thöne-Halle noch einmal von oben bis unten angeschaut. Herr Friedrich und Herr Daberto haben ihre Pläne in jeweils zweistündigen Sitzungen vorgestellt und hinterfragen lassen. Den Ausschlag für den Neubau gaben unter anderem die Risiken, die mit dem Umbau alter Bausubstanz verbunden sind. Das Votum unserer Experten war einstimmig.

Mit diesem Votum bringen Sie den Gütersloher Rat in Verlegenheit. Er kann nun nicht mehr für einen Umbau stimmen, ohne Ihre Unterstützung zu verlierenÉ
Miele: Das Votum schafft vor allem Klarheit. Bertelsmann und Miele können doch nicht fünf Millionen Euro in ein Projekt stecken, das sich Jahre später möglicherweise als Fass ohne Boden erweist. Diese Verantwortung tragen die Ratsmitglieder wiederum gegenüber der Öffentlichkeit. Das Votum nimmt dem Rat diese Verantwortung nicht ab, es schränkt auch dessen Entscheidungsfreiheit nicht ein.

Der BfGT-Fraktionsführer Norbert Morkes sieht das anders. Er hätte lieber über kulturelle Inhalte debattiert als über die Substanz von Altbauten.
Miele: Da hat er Recht. Entscheidend ist, was in der Spielstätte geboten wird, nicht aus welchem Baumaterial sie errichtet wurde. Doch mit ihrem Geld unterstützen Bertelsmann und Miele eine Baumaßnahme, nicht ein bestimmtes kulturelles Programm. Darum waren Fragen zur Bausubstanz zu klären und nicht jene zum Inhalt.

Vor drei Jahren organisierte Norbert Morkes erfolgreich ein Bürgerbegehren gegen den Theater-Neubau. Das droht nun wiederÉ
Miele: Davon habe ich noch nichts gehört. Wie auch immer - der Bürgerentscheid von 2003 prägt die heutige Situation entscheidend mit. Uns liegt ein deutlich abgespeckter Neubau-Entwurf vor, der den finanziellen Möglichkeiten Rechnung trägt. Wir reden heute von einem Multifunktionshaus, in dem eben nicht nur Opern und Operetten geboten werden sollen, sondern alle denkbaren ÝEventsÜ. Nach drei Jahren theaterlose Zeit haben vor allem Jugendliche in den Schulen und in den Ortsteilen gespürt, wie dringend die Stadt ein Theater braucht. Insofern war der damalige Entscheid nützlich. Natürlich kann auch der erneute Versuch, ein neues Theater zu bauen, im Keim erstickt werden. Aber wer hat letztendlich was davon?

Ihr verstorbener Mann Rudolf Miele hat ebenfalls stets für einen Neubau plädiert. Inwieweit beeinflusst seine damalige Haltung Ihre heutige Meinung?
Miele: Mit dem Votum für einen Neubau stehe ich voll und ganz in seiner Tradition. Mir liegt darüber hinaus die städtebauliche Aufwertung des Areals rund um die Stadthalle am Herzen, die der geplante Neubau wesentlich stärker berücksichtigt.

Der Theater-Förderverein war drei Jahre lang zum Schweigen verurteilt. Nun liegt die Machbarkeitsstudie vor und er schweigt immer nochÉ
Miele: Für den Vorstand kommt ebenfalls nur ein Neubau in Frage. Doch bevor wir damit an die Öffentlichkeit gehen, wollen wir erst das Votum unserer Mitglieder einholen. Sponsoren können wir erst wieder ansprechen, wenn der Rat einen Grundsatzbeschluss gefasst hat.

Gibt es nach drei Jahren überhaupt noch interessierte Sponsoren?
Miele: Wir haben noch einiges zu bieten, Sie werden staunen. Doch reicht es diesmal nicht aus, einfach nur zu spenden. Wir brauchen auch stets ein offenes Bekenntnis des Sponsors zum Theater. Auch das haben wir aus dem Bürgerentscheid gelernt.

Artikel vom 09.05.2006