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Unterstützung in
schwierigen Zeiten

IHK Lippe: Gegensteuern am »Runden Tisch«

Von Maria Klaas
Detmold (WB). 212 Unternehmensinsolvenzen in Lippe zeigen nur die Spitze des Eisberges. Manche Unternehmen befinden sich in Schieflage, ohne es zu merken. Je früher gegengesteuert wird, desto besser die Chance, wieder auf Erfolgskurs zu kommen. Die Industrie- und Handelskammer Lippe zu Detmold unterstützt ihre Unternehmen dabei mit so genannten »Runden Tischen«.

Franz T. hat gut Lachen. Im vergangenen Jahr schrieb sein Unternehmen schwarze Zahlen, und auch für dieses Jahr wird das Planergebnis wieder erreicht. Es gab Zeiten, da war T. gar nicht zum Lachen zumute. Es war im Jahr 2003, als der Metall verarbeitende Betrieb mit dem Rücken zur Wand stand. Die Bank forderte die sofortige Rückzahlung der Kontokorrentkredite. Das Finanzamt und die Krankenkassen, bei denen die Firma ebenfalls in der Kreide stand, wurden ungeduldig. »Das ist der Moment, in dem einem klar wird, dass dringend etwas geschehen muss«, sagt T. Heute weiß er allerdings, dass diese Einsicht viel früher hätte kommen müssen.
Die Ursachen der Liquiditätsprobleme lagen viel weiter zurück. Seit 1999 erwirtschaftete das Unternehmen mit einem Großkunden 40 Prozent des Jahresumsatzes. Einerseits beruhigend, diese feste Auslastung zu haben, andererseits aber eine viel zu große Abhängigkeit. Die »Rechnung“« wurde im Jahr 2003 präsentiert, als dieser Kunde plötzlich in die Insolvenz ging. Zeitgleich wurden die zu günstigen Konditionen gemieteten Geschäftsräume gekündigt. Neue Räume waren schnell gefunden, aber der Umzug ging ins Geld. Nun war guter Rat gefragt. Der Hilferuf bei der IHK Lippe nach öffentlichen Fördermitteln zur Überwindung der Liquiditätskrise wurde zwar abschlägig beschieden, aber gleichzeitig wurde Herr T. über das Verfahren des »Runden Tisches« informiert.
Unternehmen, die erste Anzeichen einer Krise erkennen, nehmen Kontakt zur IHK auf und reichen aussagekräftige Unterlagen ein. Nach einem Erstgespräch wird aus einem »Patenpool« ein Berater für das Unternehmen ausgewählt, der dann bis zu zehn Tage im Betrieb eingesetzt wird, um Stärken und Schwächen zu analysieren und Maßnahmen zur Verbesserung der Situation zu erarbeiten. Die Kosten für diese Beratungsleistung trägt die Kreditanstalt für Wiederaufbau. Lediglich für die Fahrtkosten und die Umsatzsteuer muss das Unternehmen selbst aufkommen.
Der Einsatz des Paten führte zu der Erkenntnis, dass angesichts fehlender Nachkalkulationen einige Projekte mit nicht auskömmlichen Margen abgeschlossen worden waren. Auch hatte das Unternehmen angesichts der guten Zusammenarbeit mit dem Großkunden versäumt, aktiv neue Kunden zu akquirieren. Kundenanfragen wurden sogar abgewiesen, weil die Auslastung gesichert war.
»Hinterher ist man immer schlauer«, sagt Herr T. heute. Eine Binsenweisheit, aber sie beschreibt die Problematik nur zu gut. Viele Unternehmen erkennen die ersten Anzeichen einer Krise nicht. Sie wachen erst auf, wenn das Unternehmen schon erheblich schwankt. Dann ist es aber meist schon zu spät, um zu retten, was vorher noch zu retten gewesen wäre. Dass die Unternehmen solange warten, liegt vor allem daran, dass der Prozess des Niederganges schleichend vonstatten geht. Aber auch die weit verbreitete Hoffnung, dass sich die Probleme quasi von selbst beseitigen werden, trägt zur Verschleppung der Krankheit bei. »Probleme lösen sich niemals von selbst«, weiß Herr T. mittlerweile. »Man muss schon aktiv gegensteuern.«
Sofern ein Unternehmen rechtzeitig Kontakt zur IHK aufnimmt, bietet der »Runde Tisch« eine Chance, diesen Unternehmen zu helfen. In Lippe haben in den vergangenen sechs Jahren 77 Unternehmen mit 630 Beschäftigten und etwa 56 Millionen Euro Umsatz den Kontakt zur IHK Lippe gesucht. Knapp der Hälfte konnte aus der Krise geholfen werden. Das sicherte 570 Arbeitsplätze in Lippe. Ein weiteres Fünftel ist zwar noch am Markt, aber mit ungünstigen Zukunftsprognosen. Drei von zehn Unternehmen mussten aufgeben; einige gingen in die Insolvenz.
Diese Bilanz zeigt, dass Unternehmen, die sich in einer Schieflage befinden und diese trotz guter Marktchancen aus eigener Kraft nicht bewältigen können, durch den Runden Tisch geholfen werden kann. Sie werden unter Einsatz der Paten auf Schwachstellen durchleuchtet, die Fortführungsmöglichkeiten werden ausgelotet und Maßnahmen zur Überwindung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten entwickelt. Rettungsversuche sind jedoch nur dann möglich, wenn sich das Unternehmen frühzeitig an die IHK oder Handwerkskammer wendet.
Neben den Runden Tischen gibt es in Lippe bei der GILDE (Gewerbe- und Innovationszentrum Lippe-Detmold GmbH) einen »Chancenmanager«, der das Instrument »Runder Tisch« ergänzt.
Das Merkblatt »Krisenmanagement in Ostwestfalen-Lippe« kann kostenlos bei der Industrie- und Handelskammer Lippe unter der Telefonnummer 0 52 31 / 76 01-25 angefordert werden.

Artikel vom 18.05.2006