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Vision: 2020 mit
weniger Kirchen

Präses Alfred Buß vor 35 Pfarrern

Versmold (WB). »Visionen sollten geerdet sein, sonst führen sie in die Irre« - das sagte Präses Alfred Buß gestern bei der Pfarrkonferenz des Kirchenkreises Halle in Versmold. Der leitende Theologe der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) ist seit Sonntag unterwegs auf Visitation. Als einer von 31 westfälischen Kirchenkreisen wird der hiesige wie berichtet zurzeit von einer 28-köpfigen Kommission der Landeskirche besucht.

Wie seine Vision von der Kirche aussieht, schilderte Präses Buß den 35 Pfarrern. Als Zeitraum für den Blick nach vorne wählte er 14 Jahre: Nach - mindestens - zwei Mal sieben fetten Jahren stünden nun zwei Mal sieben magere Jahre bevor. Wie also könnte die Evangelische Kirche von Westfalen 2020 aussehen? Alfred Buß: »Sie ist sehr viel kleiner als jetzt, mit bedeutend weniger Kirchen und Gemeindehäusern, noch etwa 1000 Pfarrern statt derzeit 2100, und viel weniger hauptamtlich und mehr ehrenamtlich Mitarbeitenden als heute. Die Anzahl der Kirchenkreise ist geschrumpft. Kaum einer leistet sich mehr eine komplette Verwaltung. Vor Ort bestehen nur noch kleinere Steuerungs- und Beratungszentren. Viele der historischen Kirchen sind Zentren mit Ausstrahlungskraft, weil es gelang, geistliches, diakonisches, seelsorgliches, ökumenisches und gesellschaftspolitisches Leben und Handeln aufeinander bezogen hier anzusiedeln. Die Kirchensteuer sorgt für eine Grundabsicherung. Vieles geht nur noch zusammen mit ökumenischen Partnern.«
Grund für die zurückgehenden Zahlen sei die demografische Entwicklung: Immer weniger Kinder würden geboren, die Bevölkerung altere. Die Herausforderungen, vor denen die viertgrößte deutsche Landeskirche stehe, seien gewaltig. Eine davon: Die Versorgungskasse Rheinland-Westfalen-Lippe für Pfarrer ist unterfinanziert. Die Zahl der Pensionäre wird steigen, die Summe der fälligen Ruhestandsbezüge (2005: 139 Millionen Euro) bis 2030 um den Faktor 2,3 zunehmen - bei gleichzeitig abnehmendem Beitragsvolumen. Hinzu kamen Steueränderungen seit 1993: Die Kirchensteuereinnahmen brachen weg. 2002 wurde das Beitragssystem zur Versorgungskasse überarbeitet, die Sätze steigen seitdem. Der Präses sprach von einer »Balance der Interessen«: Einerseits müssten Pfarrer im Alter sicher versorgt sein, andererseits muss die Arbeit bezahlt werden. »Inzwischen dämmert uns, dass die Kurven in der Bevölkerungsentwicklung und der Ressourcen, die zur Verfügung stehen, nach unten gehen.«

Artikel vom 09.05.2006