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Von Schilderung beeindruckt

Polizei setzt im Kampf gegen manipulierte Roller auf Nachdenklichkeit

Von Heinz-Peter Manuel
Fürstenberg (WV). »Nach diesem Vortrag werde ich später an meinem Roller ganz bestimmt nicht schrauben.« Nicht nur der 14-jährige Dominik zeigte sich schwer beeindruckt von der schonungslosen und offenen Schilderung des schweren Unfalls, den Sebastian Pordom aus Bad Driburg vor drei Jahren erlitt.

Nachdem Vertreter der Kreispolizeibehörde den Acht- und Neuntklässlern der Hauptschule Bad Wünnenberg im Schulzetrum in Fürstenberg die möglichen Folgen von Manipulationen an Mofas und Motorrollern - vom längeren Bremsweg über Erlöschen der Betriebserlaubnis bis hin zu unübersehbaren finanziellen Spätfolgen - berichtet hatten, ergriff Sebastian Pordom das Mikrophon. Offen berichtete er den 14- bis 17-jährigen Jugendlichen von seinem damaligen Leben, von mäßigen schulischen Leistungen, von seinen Träumen, Profi-Fußballer zu werden und seinen Freunden. »Ich fühlte mich total cool«, sagt er.
Am 15. April 2003 endete dieses Leben. Denn zusammen mit seiner Freundin zog der damals 17-Jährige abends noch los, lieh sich einen Motorroller von einem Freund und drehte damit eine Runde. Das Zweirad war getunt, lief statt der erlaubten 45 km/h doppelt so schnell. Das wusste Sebastian nach eigener Schilderung nicht. Der Ausflug endete schrecklich: Sebastian verlor die Kontrolle über den frisierten Roller, fuhr gegen eine Betonsäule und flog durch die Scheibe eines Geschäftes in einen Laden - ohne Helm.
Abgesehen von einem Beinbruch und Schnittverletzungen zog er sich erhebliche Kopfverletzungen zu, musste am Unfallort gleich dreimal reanimiert werden, vor den Augen seiner Schwester. »Damals warst Du dem Tod näher als dem Leben«, fasste Polizeisprecher Ulrich Krawinkel vor sichtlich geschockten Jungen und Mädchen zusammen.
Als der junge Mann mehrere Monate später aus dem Koma erwachte, konnte er weder gehen noch sprechen. Der Lernprozess nach den beträchtlichen Hirnverletzungen war sehr mühsam. Heute ist Sebastian wieder so weit, dass er seinen Hauptschulabschluss nachholen und anschließend eine Berufsausbildung als Elektriker absolvieren möchte. »Ohne meine Eltern und meine Familie hätte ich das nie geschafft«, berichtet er freimütig von Momenten, in denen er nicht mehr leben wollte.
»Ich war doof, ich war dämlich, und jetzt bin ich auch noch behindert«, fasst Sebastian Pordom die damalige Situation zusammen.
Die Polizei hatte ihn eingeladen, weil sie mit Sorge betrachtet, dass zahlreiche jugendliche Zweiradfahrer an ihren Mofas und Roller schrauben. Oft reichen wenige Handgriffe, um aus den für 25 Stundenkilometer ausgelegten Fahrzeuge mehr als 90 km/h schnelle »Geschosse« zu machen. Und mit diesen Geräten sind sie überproportional oft in zum Teil schwere Unfälle verwickelt. Ulrich Krawinkel hat in die Gesichter der jungen Zuschauer gesehen und hofft, dass die Nachdenklichkeit auch über den Tag hinaus anhält. Bei einer Kontrolle in Paderborn waren von 27 getesteten Fahrzeugen nur wenige noch original.

Artikel vom 06.05.2006