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Dunkelziffer ist hoch

Thema Zwangsehe beim gleichstellungspolitischen Dialog

Gütersloh (gpr). Ein zurzeit besonders brisantes Thema stand beim gleichstellungspolitischen Dialog der Stadt Gütersloh in der vergangenen Woche zur Diskussion. Bircan Dinc und Yasemin Sönmez vom Bielefelder Jugendhilfezentrum »Familienwelten« und der städtische Ausländerbeauftragte Eckhard Sander referierten zum Thema »Zwangsehen«.

»Die Ehe darf nur aufgrund der freien und vollen Willenserklärung der zukünftigen Ehegatten geschlossen werden« - mit diesem Zitat aus dem Artikel 16 der Menschenrechte eröffneten Dinc und Sönmez ihren Vortrag. Bircan Dinc berichtete aus ihrer Erfahrung als Mitarbeiterin des Bielefelder Mädchenhauses: »Von 27 Mädchen mit Migrationshintergrund, die im Jahr zu uns kommen, sind vier dabei, die eine bevorstehende Zwangsverheiratung thematisieren.« Dabei könne und dürfe man aber keine Stereotype bilden. »Zwangsverheiratung komme auch in Familien vor, die nach außen sehr offen und liberal wirken«, weiß Dinc. Die Motivation der Eltern könne der Wunsch nach finanzieller Absicherung der Tochter oder die Durchsetzung von patriarchalen Werten sein.
Zwangsverheiratung komme in unterschiedlichen religiösen und ethnischen Gruppen vor, überschreite Grenzen von Schichten und betreffe arme wie reiche Familien, berichteten die Referentinnen. Indes gebe es aber keine gesicherten Zahlen über Zwangsverheiratung - allerdings eine hohe Dunkelziffer. Betroffene würden oftmals schweigen.
Um eine Zwangsehe durchzusetzen, würde den Mädchen oft mit dem Verstoß aus der Familie gedroht. Liebesentzug und Verachtung würden dafür ebenso eingesetzt wie die Einschränkungen in der Bewegungsfreiheit und im Lebensstil.
Im Anschluss diskutierten die Frauen, wie man sich zu diesem Problem verhalten solle. Alle waren sich einig darin, dass übereilte Reaktionen im Falle einer drohenden Zwangsheirat fehl am Platze seien. Vielmehr müsse man die Gefühle und Ängste des Mädchens ernst nehmen und eine parteiliche Haltung signalisieren. Bei Bedarf sollten fachkundige Beratungsstellen und Institutionen angefragt werden. Gemeinsam mit dem Mädchen könnten Lösungsmöglichkeiten oder auch Interventionsschritte eingeleitet werden.
Der gleichstellungspolitische Dialog soll mit einem Treffen im Herbst fortgesetzt werden. Anregungen für Themen nimmt die Gleichstellungsstelle der Stadt unter Tel. 82 20 80 entgegen.

Artikel vom 08.05.2006