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Lyrik unterschiedlichster Couleur

Jan Wagner, Christoph Wenzel und Daniel Ketteler lesen in Rietberg

Rietberg (joz). Als regelrechter kleiner Rietberger Lyrikgipfel entpuppte sich am Donnerstagabend die letzte Autorenlesung der Saison 2005/2006 von »Rietberg kulturig« im Alten Progymnasium.

Der durch seine Bildsprache Innenwelten der Außenwelt zeugende Jan Wagner, der durch Intuition und Kalkül »Schwellenworte« findende Christoph Wenzel und der Wissenschaftlichkeit und Poesie pragmatisch zur Verschmelzung führende Daniel Ketteler erfreuten in ihrer gemeinsamen Lesung mit Lyrik unterschiedlicher Couleur.
Zunächst las der Aachener Autor Christoph Wenzel - der übrigens am Donnerstag seinen Geburtstag feierte - aus seinem Lyrik-Band »zeit aus der karte«. Mit aus der Realität entnommenen »Standbildern« vergleichbarer Lyrik lud der ebenso reduziert wie konzentriert mit Worten umgehende Wenzel mit seiner schönen Stimme zu einer »kleinen Gedicht-Reise« ein. Beschrieb er den Neubau des Jüdischen Museums in Berlin als »Bau von Winkeln und wundem Gedächtnis« mit »Sackgassen, die in toten Ecken münden« und »Passagen durch den Kreuzberg« wie nach einem »Blitzeinschlag«, wobei er Liebeskinds Architektur als Metapher zur jüdisch-deutschen Geschichte einsetzte, wirkten auch seine Naturgedichte tief- und hintergründig. Seine wiederholt von Schlafmomenten handelnden Prosatexte wie »Im Tiefschlaf liegt der letzte Tag in Bildern wach« spielten mit Schwellenübertritten, da der Blick für die »Bildlichkeit des Buchstäblichen« geschärft wurde. »Hiesige Veranstaltung« haben wir dem 1978 in Warendorf geborenen Germanisten Daniel Ketteler zu verdanken, da er durch die von ihm gemeinsam mit Christoph Wenzel herausgegebene Literaturzeitschrift »SIC« auch die Verbindung der zu diesem Abend hier versammelten Autoren hergestellt hat«, lobte Manfred Beine Kettelers Initiative. Handelten Kettelers Gedichte von Vergänglichkeit und Todesnähe aus seiner mitunter auch ironisierenden Sicht des Mediziners mit wissenschaftlicher Fachsprache, erzeugte Jan Wagner durch seinen überquellenden Bilderreichtum aus sich aneinanderreihenden Metaphern seine wie Sprachlandschaften entstehenden poetischen Welten hinter der Welt der äußeren Erscheinungen. Wagner, zweifellos der prominenteste der drei Dichter, hat mit einer Auswahl seiner sprachgewaltigen, in Oden-, Terzinen-, Sextinen- oder der Sonettform geschriebenen Lyrik aus »Probebohrung im Himmel« wie »Guerickes Sperling“« wie ein in seinen aus Sprache gemalten Gefilden, Orten und Empfindungswelten kundiger Wanderer mehr als beeindruckt.

Artikel vom 06.05.2006