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In »Drückerkolonne«
die Kunden erfunden

Werberin für Telefonverträge muss Geldbuße zahlen

Werther/Halle (kg). Weil sie in dunklen Hausfluren nur an ihre eigene Haut gedacht hat, musste sich eine 22-jährige Wertheranerin gestern vor dem Haller Amtsgericht verantworten. Die Frau hat als Werberin für Telefonverträge nämlich in so etwas ähnlichem wie einer »Drückerkolonne« gearbeitet. Weil sie nicht genug Verträge acquiriert hat, hat sie einige Unterschriften gefälscht, weitere »Kunden« schlicht erfunden.

Gegen eine Geldbuße von 900 Euro stellte Richter Michael Hunke das Verfahren ein - ohne sechs geladene Zeugen zu hören. Denn die Angeklagte legte nach kurzer Rücksprache mit ihrem Verteidiger unter Tränen ein volles Geständnis ab.
Die junge Frau, die inzwischen bei einem seriösen Unternehmen arbeitet und nicht weiter vorbelastet ist, hatte vor anderthalb Jahren von Bekannten gehört, dass man bei diesem Job gut verdienen kann. Anfangs liefen die Haustürgeschäfte bei ihr auch gut. Doch dann gab es in Fernsehen und Zeitungen immer mehr Berichte über eher halbseidene Methoden gewisser Firmen. Die Menschen wurden vorsichtig.
Doch je weniger »Scheine« die Werber schreiben konnten, je höher stieg das Ziel, das ihre Teamleiterin einforderte, die mit ihren Leuten größere Städte wie Göttingen, Paderborn, Hildesheim anfuhr. Deshalb wurden die Arbeitszeiten in den Wintermonaten täglich länger: Die Werber versuchten ihr Glück vor allem in Hochhäusern, wo sie an jeder Tür klingelten.
Wie einige Kollegen dachte sich die Wertheranerin irgendwann Namen und Adressen einfach aus - zwölf an der Zahl. Doch das flog natürlich später auf: Denn die Firmenmitarbeiter arbeiteten sämtliche Verträge später nach. Und auch die fünf Fälle, wo sie Unterschriften gefälscht hatte, kamen ans Licht. Die Firma hatte viele Scherereien. Doch glücklicherweise entstand bei niemandem wirklich ein Schaden.
»Das sind Methoden, die man nicht verharmlosen darf. Doch eigentlich müssten jetzt andere Leute hier auf der Anklagebank sitzen«, meinte der Richter. Oberamtsanwältin Sabine Eickhölter war ebenfalls dieser Ansicht. Gegen eine Geldbuße als »Signal, das man so nicht handeln darf«, stimmte sie der Einstellung des Verfahrens zu.

Artikel vom 05.05.2006