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Züchter klagen: »Das ist
verordnete Tierquälerei«

Nach Berlin-Demo als letztes Mittel Freilassung geplant

Von Manfred Köhler
Verl-Kaunitz (WB). Keine Vogelgrippe in Sicht. Dafür lange Gesichter bei den heimischen Züchtern. Sie und ihre Tiere leiden unter der Stallpflicht. Daran habe sich auch nach der Demo in Berlin nichts geändert, meint Züchter Heinz Rehage aus Druffeln, der die Aktion für den Deutschen Verband der Rassegeflügelzüchter organisiert hat.

»Im Gegenteil«, so Rehage, »die aktuelle Verordnung von Horst Seehofer hat eigentlich alles nur noch schlimmer gemacht und noch mehr Bürokratie gebracht, das schadet allen.« Da kann ihm der Vorsitzende der Kaunitzer Geflügelzüchter, Heinz Steinkemper. nur beipflichten: »Es muss unbedingt eine Lockerung der Auflagen erfolgen«, sagt er. Ein bisschen Hoffnung setzt Rehage noch in das Gespräch beim Landwirtschaftsministerium in Berlin am kommenden Dienstag. Ansonsten seien die Züchter in ganz Deutschland entschlossen, in einer gemeinsamen Aktion ihre Tiere ins Freie zu holen, falls sich bis zum 15. Mai nichts ändere.
Das findet Mark Fechtelkord aus Kaunitz richtig. Er ist zwar nur ein »kleiner« Züchter, hat aber wie alle anderen große Sorgen. »Es ist schlimm, die Tiere werden aggressiv«, klagt der 27-jährige Kaufmann und meint: »Die Aufstallungspflicht ist alles andere als eine artgerechte Haltung, sie ist staatlich verordnete Tierquälerei.« Immer wieder kommt es vor, dass Tiere sich gegenseitig die Federn ausrufen und sich sogar umbringen. Zwei seiner Enten hat er auf diese Weise schon verloren. Aus Gesprächen mit Züchterfreunden weiß er zu berichten, dass es anderen ähnlich ergeht. »Alle befürchten, dass die bis 15. Mai befristete Stallpflicht und damit das Elend für die Tiere weiter geht«, sagt er. Darum findet er es auch gut, dass die Züchter protestieren. »Mein Bruder André war in Berlin auch dabei«, erzählt er, »und ich wäre auch gerne hingefahren, konnte aber leider nicht frei bekommen«.
Gerade jetzt im Frühjahr treffe die Aufstallung die Züchter von Enten und Gänsen besonders hart: »Wassergeflügel braucht eben Wasser. Eine Zucht ist in geschlossenen Räumen nicht möglich, die Tiere brauchen das Wasser, um sich fortzupflanzen«, erklärt er. Normalerweise seien sie jetzt Tag und Nacht draußen. Mark Fechtelkord lässt sie zumindest mal für eine Stunde ins Freigehege, das er mit hohen Kosten komplett neugestaltet und mit einem Netz nach oben gesichert hat. »Bürokratisch gesehen dürfte ich das eigentlich nicht«, klagt er, »aber die Tiere sind in ihrem Sozialverhalten und in ihren Lebensgewohnheiten so beeinträchtigt, dass man das nicht mit ansehen kann«. Was da bürokratisch verordnet werde, habe mit der Wirklichkeit nichts zu tun. »Und mit dem Schutz der Tiere schon gar nicht.« Hier sieht er auch die Tierschützer in der Pflicht, aber »von denen hört man gar nichts«, kritisiert er.
Seit fünf Jahren züchtet Mark Fechtelkord kostbare Gänse und Enten - wie etwa Hottentotten-, Bahama-, Blauflügel- oder Mandarinenten sowie Hawaiigänse. »Mit wirtschaftlichen Vorteilen hat das gar nichts zu tun«, betont er. Es gehe einfach darum, alte Haustierrassen und damit ein altes Kulturgut zu erhalten. »Die Hawaiigans beispielsweise stand noch in den 50er Jahren vor dem Aussterben«, informiert er.
Um die Unkosten zu decken versuchen die Züchter, Tiere zu verkaufen. »Aber das ist im Zuge der Stallpflicht ganz schwierig geworden«., betont er. »Wenn ich Glück habe, bekomme ich fünf Euro für eine Hottentottenente«, sagt er mit trauriger Miene und fügt hinzu: »Im vorigen Jahr waren es noch 35 Euro.« Für einen Sack Aufzuchtfutter, der für 15 Küken acht bis zehn Wochen reiche, müsse er 23 bis 30 Euro bezahlen. »Die reinen Brutkosten liegen natürlich noch höher.«

Artikel vom 06.05.2006