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Die Nische als Erfolgsmodell

Burkhard Schmilgun produziert in Vergessenheit geratene Musik-Juwelen

Von Hartmut Horstmann
Herford (HK). Die Wagnerianer sterben nicht aus. Jedes Jahr pilgern die Freunde des vielstündigen Gesamtkunstwerkes in Scharen nach Bayreuth. Doch dass es auch eine Wagner-Welt jenseits von Tannhäuser und Parzival gibt, wird da schnell übersehen. Um das sinfonische Werk des Richard Wagner-Sohnes Siegfried hat sich der Herforder Burkhard Schmilgun verdient gemacht.

Seit 1991 kümmert sich Schmilgun als Produzent um die inhaltliche Ausrichtung des Klassik-Labels cpo (classic production osnabrück). Es handelt sich hierbei um ein Label der Handelskette jpc mit Sitz in Georgmarienhütte.
Der Name Siegfried Wagner ist symptomatisch für das cpo-Konzept, das vom Entdecken und Edieren vergessener Perlen der klassischen Musikgeschichte lebt. Sechs CDs pro Monat kommen auf den Markt, und manche Einspielung der hochkarätigen Reihe entstand mit der Nordwestdeutschen Philharmonie im Herforder Schützenhof.
Stichwort NWD: Von hier aus liefen die ersten Kontakte zwischen Schmilgun und cpo. Denn der Herforder war von 1982 bis 1991 Mitglied des Orchesters. Gesucht wurde ein Kenner, der einen Booklet-Text über den Komponisten Erich Wolfgang Korngold schreiben konnte. Offenbar hatte cpo in dem jungen Musikwissenschaftler aus Herford den richtigen Mann gefunden. Der NWD-Musiker wurde Berater - ein weiterer Schritt bis zur schließlichen Festeinstellung als Produzent. Zwar fiel es Schmilgun nicht leicht, bei der NWD zu kündigen, doch lockte ihn die Perspektive: das Entdecken musikalischer Schätze jenseits des Bekannten. Gerade deshalb wurde cpo gegründet. »Es gibt eine Nachfrage, die von den großen Firmen mit dem Mainstream-Repertoire nicht abgedeckt wird«, weiß der Klassik-Experte.
Die Nische als Erfolgsmodell: Während die CD-Branche in vielen Bereichen große Probleme hat, erfreut sich die cpo-Reihe (fast 900 CDs gehören zum Programm) einer ungebrochenen Käufer-Nachfrage. »Unsere Kunden sind offenbar nicht die, die CDs downloaden oder brennen«, vermutet der Produzent. Gleichwohl habe sich Konkurrenz gebildet. Andere Firmen zogen mit dem Nischen-Konzept nach. »Doch kein Label hat sich um Raritäten so konsequent gekümmert wie wir«, betont der Herforder. Bisher habe cpo seine Führerschaft behauptet.
Zur erfolgreichen Konsequenz gehört die Schwerpunktbildung. Die Barockmusik markiert einen Bereich, Symphoniker aus dem Umfeld von Beethoven einen anderen. Oder Komponisten aus Ländern (zum Beispiel Skandinavien), die von Musikliebhabern oft vernachlässigt werden. Dabei ist der Raritätencharakter nie Selbstzweck. Vielmehr ist der Kenner Schmilgun stets von der Qualität der Kompositionen überzeugt - so auch im Fall von Siegfried Wagner, dessen Mutter ihn nie habe richtig hochkommen lassen.
Die Verkaufszahlen bewegen sich in einer Bandbreite von 1 500 bis zu 15 000 Exemplaren - die Tatsache, dass die CDs ausschließlich über jpc erhältlich sind (auch im Internet), sieht der Herforder nicht unbedingt als Nachteil: »Denn gleichzeitig bedeutet das Label auch Werbung für jpc.«

Artikel vom 05.05.2006