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Spezialtraining für »Musketiere«

Akteure der Spielgemeinde erhalten Unterricht von Fechtmeister Volker Ullmann

Von Sonja Gruhn
Nettelstedt (WB). Einer ganz neuen Herausforderung stellen sich die Akteure der Spielgemeinde Nettelstedt. In einem Intensivworkshop lernen sie das Bühnenfechten für das Abendstück der neuen Saison: »Die drei Musketiere«. Regisseur Jürgen Morche ist es gelungen, Fechtmeister Volker Ullmann aus Hamburg als Lehrer zu gewinnen. Der ausgebildete Schauspieler war u.a. am Theater in Bochum und am Hamburger Thalia Theater engagiert.

Zusätzlich absolvierte er in London eine Ausbildung als Bühnenfechtmeister, der bis heute zahlreiche Inszenierungen folgten (unter anderem am Deutschen Schauspielhaus Hamburg und der Staatsoper Wien). Die staatlich anerkannte »Stage School of Dance and Drama« wurde 1986 von Ullmann gegründet. Später folgte ein Verlag für Film, Fernsehen und Theater, der 1993 durch eine Schauspielagentur erweitert wurde. Am Wochenende startete das Trainingsprogramm, das es in sich hat. Nach einem Warm-up konnten sich die »Schüler« mit den Degen, wie sie auch beim Sportfechten verwendet werden, vertraut machen. Da dieses Fechtinstrument, wenn auch an der Spitze abgestumpft, durchaus eine gefährliche Waffe darstellt, gab es gleich zu Beginn einige Sicherheitsregeln mit auf den Weg. Während beim Sportfechten Körperberührung und kurze Bewegungen das Ziel sind, verhält es sich beim Bühnenfechten genau anders. Hier sind weit ausholende Hiebe und spektakuläre Stiche und Paraden angesagt. »Schließlich soll der Zuschauer ja auch sehen, dass etwas passiert«, erklärt Ullmann. Trotzdem steht für den Fechtmeister die Sicherheit immer an erster Stelle.
Nach der Ausführung sollten etwa fünf Zentimeter zwischen Körper und Degen frei bleiben, und auch das gilt es zu üben. Die Koordination von Körper und Geist ist die wichtigste Grundlage, denn es ist nicht damit getan, eine Waffe in der Hand führen zu können. Fußarbeit, die richtige Haltung und das Raumgefühl erfordern hohe Konzentration. Auch die Fachsprache muss erlernt werden. Während Schauspielschüler in dieser »Disziplin« immerhin drei Jahre lang unterrichtet werden, gibt es für die Nettelstedter Laiendarsteller einen intensiven »Crash-Kurs«, der natürlich umso anstrengender ist, auch wenn hauptsächlich Basiswissen vermittelt wird. Erst wenn die einzelnen Aktionen »sitzen«, kann mit der Choreographie, ähnlich wie beim Tanzen, begonnen werden.
Diese teilt sich dann in verschiedene Sequenzen auf, die auch mit Hilfe einer so genannten Notation schriftlich festgehalten werden können. Ullmann hat sie selbst entwickelt: »Diese ist für die Schauspieler sehr einfach zu verstehen.« Die Sequenzen bestehen aus einem, bis zu mehreren Schlagabtäuschen. »Je leichter später eine Kampfszene aussieht, desto schwieriger ist es, sie darzustellen.« Der Kopf muss flink sein und der Körper fit, denn meist stehen die Akteure angespannt mit leicht gebeugten Knien, sind sowohl als Angreifer als auch in der Rolle des Verteidigers aktiv.
Ebenso müssen die »Kämpfer« lernen, in einem bestimmten Takt zu fechten und nicht einfach drauf los zu schlagen. Der Takt und die dazugehörigen Pausen sind wichtige Elemente zur Spannungserzeugung. Hinzu kommen noch die verschiedenen Charaktere, die sich in der Darstellung widerspiegeln sollen. Hier sind Fechtmeister und Regisseur gefordert. »Die Gardisten müssen beispielsweise beinahe noch geschickter sein, als die Musketiere, damit die in ihrer Rolle als die ÝGutenÜ richtig gut aussehen.« Auch die Damen sind mit von der Partie. Denn hier und da mischt »Lady de Winter« ordentlich mit. »Wir können allerdings nur bis zu einem bestimmten Punkt hilfreich sein, den Rest muss der Schauspieler selbst bringen, durch Ausstrahlung und Spielkunst.«
Die »Musketiere« von der Freilichtbühne waren jedenfalls mit viel Spaß und Engagement bei der Sache. Und diesen Umstand verdanken sie nicht zuletzt der einfühlsamen aber bestimmten Art ihres Lehrers, der es versteht, seine Schüler zu motivieren und selbst mit viel Spaß bei der Sache ist - und mit der Lernfähigkeit seiner Schüler übrigens äußerst zufrieden.

Artikel vom 04.05.2006