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DGB greift Wirtschaft an

Maikundgebung in der Werretalhalle lockt 100 Gäste

Von Silke Schade (Text und Fotos)
Löhne (LZ). »Deine Würde ist unser Maß«: Das vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) ausgerufene Motto der diesjährigen Maikundgebungen prangte am Montag auch in der Werretalhalle auf einem roten Banner. Friedel Böhse setzte als erster Redner Maßstäbe. Würde dürfe nicht nur ein Wort sein, sondern sie müsse gelebt werden, forderte der Vorsitzende des DGB-Ortsverbandes Löhne/Bad Oeynhausen vor etwa hundert Zuhörern.

Während im Grundgesetz das Recht auf Arbeit festgeschrieben sei, sehe die Realität ganz anders aus, kritisierte der Gewerkschaftler. Auf einen Ausbildungsplatz kämen im Kreis Herford drei Bewerber. Unterm Strich fehlten mindestens 1 500 Lehrstellen. Für Böhse eine »katastrophale Situation«, besonders vor dem Hintergrund, dass deutsche Unternehmen zuhauf Gewinne aus dem boomenden Exportgeschäft einstreichen. »Wer nicht ausbildet, soll zahlen«, forderte er unter dem Beifall seiner Zuhörer.
Dass Kommunen mehr als nur Rahmenbedingungen setzen können, um die Lage am Arbeitsmarkt zu verbessern, bezweifelte Bürgermeister Kurt Quernheim. Als die Löhner Unternehmen Tebau und Möller in die Insolvenz geraten seien, hätte die Stadt auch nur tatenlos zusehen können. Das Millionen schwere Loch im Verwaltungshaushalt ließe ebenfalls kaum Spielraum. »Wir müssen Prioritäten setzen und in Erziehung und Ausbildung investieren. Nur so können wir der Jugend in unserer Stadt eine Zukunft bieten«, sagte Quernheim.
Dass sich die Politik aus der Verantwortung stehlen wolle, machte Verdi-Bezirksgeschäftsführer Werner Linnemann wütend: »Leere Kassen sind doch nicht gottgegeben«, konterte der Hauptreferent an die Adresse des Bürgermeisters. In einem Rundumschlag streifte er Themen der aktuellen politischen Debatte, die wohl auf vielen Maikundgebungen zu hören waren. Er wetterte gegen die 40-Stunden-Woche, mit deren Einführung 100 000 Arbeitsplätze in NRW in Gefahr seien, und die Mehrwertsteuererhöhung.
Der Verdi-Bezirkschef sprach sich für die Vermögenssteuer aus und meinte, dass bei einem Jahresverdienst von 250 000 Euro eine Besteuerung von 48 Prozent nicht weh tue. Vor allem aber forderte er den Erhalt der Tarifautonomie. Die Angriffe der Politik darauf hätten erschreckend zugenommen, sagte er, und erntete dafür viel Applaus der Zuhörer.

Artikel vom 03.05.2006