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Mehr als eine Kopie

Trompeter Wallace Roney bei »Jazz in Gütersloh«

Gütersloh (WB). Der amerikanische Trompeter Wallace Roney verbindet Tradition und Moderne in positiver, ja wünschenswerter Weise, was der Konzertreihe »Jazz in Gütersloh« am Samstagabend eine Premiere bescherte. Turntables, Sound-Samples und Scratches hatte es nämlich im ehemaligen Jugendzentrum bislang noch nicht gegeben.
In der sechsköpfigen Wallace Roney Group spielen die so genannten »Electronics« mittlerweile aber eine wichtige Rolle und gefielen im Zusammenspiel mit traditionellen Jazz-, aber auch Fusionelementen, selbst den eingefleischten Jazzfans.
Wallace Roney spielte in den 80er Jahren bei Art Blakeys Jazz Messangers, wurde aber erst 1992 durch den legendären Live-Auftritt von Miles Davis in Montreux bekannt. Roney fungierte dort als »Back-Up« des gesundheitlich angeschlagenen Meisters und spielte die ihm zugedachten, schwierigeren Trompetensoli so exzellent, dass Davis ihm angeblich nach dem Auftritt seine berühmte rote Trompete schenkte.
Dieser glanzvolle Abend und sein Mitwirken an der ein Jahr später folgenden Miles Davis Tribute Tour führte für Roney jedoch zu dem Dilemma, dass er allzu oft als eine Kopie des wohl innovativsten Jazzmusikers aller Zeiten angesehen wird.
Roney leugnet den großen Einfluss, den Davis, allerdings auch Art Blakey, Tony Williams und Herbie Hancock auf seine persönliche und musikalische Entwicklung hatten, gar nicht, betont dabei aber stets, dass er diese Musik nicht kopiere, sondern konsequent weiterentwickle. Davon konnte sich das Publikum in Gütersloh am Samstag eindrucksvoll überzeugen: Dort band der Trompeter zusammen mit seinem Bruder Antoine (Saxofon), dem Davis-Sideman Robert Irving III (Klavier, Fender-Rhodes-Piano, Keyboard), Clarence Seay (Kontrabass), der überaus agilen, dynamischen Kim Thompson (Schlagzeug) und Val Jeanty (Electronics) klassische Hardbop-Bläsermotive in einen modernen Kontext ein, der vor allem von Robert Irving III am erdigen Fender Rhodes im Zusammenspiel mit Val Jeantys Scratches und Sprachfetzen erzeugt wurde.
Manchmal, so schien es, zog sich Roney ganz in die Rolle des Beobachters zurück, der sich über die musikalische Klasse, die seine Band hier gerade zu Gehör brachte, still und intensiv freute. Dann schritt er jedoch wieder selbst zum Mikrofon, um dem Publikum in langen Soli seine Ideen von Tradition und Moderne näher zu bringen. Manchmal klang er dabei tatsächlich ein wenig nach seinem Vorbild, meistens spielte er jedoch wie Wallace Roney, und das ist der Trompeter, der sich am Ende dieses herrlichen Konzertes den herzlichen Applaus des Gütersloher Publikums verdient hatte.
Collin Klostermeier

Artikel vom 03.05.2006