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Tödliche Kombination für die Bienen

Milder Herbst und spät einsetzender Frühling bereiten den Imkern große Schwierigkeiten

Von Jürgen Köster
Bellersen (WB). Die Kombination war tödlich: Die ungewöhnlich hohen Temperaturen im zurückliegenden Herbst und der nicht enden wollende Winter haben manchem seiner Kollegen die Existenz geraubt: Auch Imker Oswald Hensel hat Bienenvölker verloren.

»Es war im zurückliegenden Oktober und November nicht nur warm, sondern auch hell. Die Bienen dachten wohl, es sei schon Frühling und sie haben gebrütet«, berichtet Hensel von dem ungewöhnlichen Verhalten der Tiere. Für die Brut sei jedoch eine Temperatur von 36 Grad Celsius erforderlich, während normalerweise in der Winterkugel nur 20 Grad Celsius benötigt würden. In seinen Bienenkästen seien nicht soviele Tiere gestorben wie bei seinen Kollegen. »Die Völker sind jedoch deutlich schwächer als normal«, urteilt Hensel. Und: Der lange Winter hat sein Übriges getan. Die Bienen haben viel gefressen. Daher mussten sie zum ersten Reinigungsflug früher aus dem Stock als sonst, obwohl es noch viel zu kalt war. »Viele sind erfroren«, weiß Hensel.
Weitere Folge des ungünstigen Winterwetters: Es gibt weniger Wespenköniginnen und auch weniger Wildbienen. »Ich habe schon zahlreiche Anfragen von Kollegen gehabt, die gern Bienenvölker zugekauft hätten«, berichtet Hensel von der Notlage anderer Imker. Auch er wird Einbußen haben. Pro Bienenvolk werden es zwei bis vier Waben weniger sein als sonst.
Fehlen wird vor allem der Frühlingsblütenhonig, weil die Bienen zu schwach sind, um von Raps, Löwenzahn, Schwarz- und Weißdorn oder Ahorn Nektar zu sammeln. »Ich habe drei Tonnen besten Biolandhonig zufüttern müssen, weil die Völker zu schwach sind«, nennt der Bellerser Imker ein weiteres Manko. Die erste Ernte werde es in diesem Jahr wohl erst im Juni geben. Sonst liege sie in der Zeit zwischen dem 10. und 15. Mai.
Zwischen 20000 und 50000 Bienen überwintern in den einzelnen Bienenkästen der Imkerei Hensel. Im Sommer leben bis zu 100000 Tiere darin. Oswald Hensel ist »Herr über 30 Millionen Bienen«. Die Bienenkästen, in denen die Tiere leben, sind dreimal so groß wie sonst in Deutschland üblich, um die Futterversorgung für Regenperioden zu verbessern. Hensel lädt sie mit den Tieren auf Lkw und fährt mit ihnen in Regionen, wo sie Blüten finden, die in der heimischen Natur fehlen. Dort bleiben die Tiere für die Zeit der Blüte, dann holt Hensel sie wieder nach Hause. Der Müritzsee ist eines der bevorzugten Ziele des Imkers, der den Betrieb 1996 von seinem Vater übernommen hat. »Er ist vor genau 50 Jahren aus der damaligen DDR gekommen und hat hier mit nichts angefangen«, rechnet Oswald Hensel seinem Vater diese Leistung hoch an. Die Arbeit in der freien Natur liebt er besonders an seinem Beruf. Wer sich über die Arbeit der Imker und der Bienen informieren möchte, hat dazu von Samstag, 29. Mai, an eine weitere gute Gelegenheit: Um 16 Uhr wird am Schmandberg (zwischen Ostwestfalenstrasse und Bellersen gelegen) in Bellersen auf Anregung des Imkereibetriebes Hensel und in Zusammenarbeit mit der Borgentreicher Landschaftsstation eine Infotafel über die heimischen Honigbienen aufgestellt. Und weil sich Oswald Hensel darüber besonders freut, spendiert er das passende Einweihungsgetränk: süffigen Honigmet. »Trotz der Bedeutung des Honigs als gesundes Nahrungsmittel und der enorm wichtigen Funktion der Bienen als Bestäuber der heimischen Nutzpflanzen, stammt nur noch jedes fünfte gekaufte Glas Honig aus Deutschland«, bedauert Sven Mindermann von der Landschaftsstation.
Hier sparten die Verbraucher aus Sicht der Naturschützer am falschen Ende. Sie plädieren dafür, verstärkt bei den heimischen Betrieben und Hobbybienenhaltern einzukaufen, um auch einen Beitrag für den Naturhaushalt zu leisten.

Artikel vom 29.04.2006