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Mit »Fachwerk« Hürden überwinden

Verein bietet ausbildungsbegleitende Hilfen an - Vermittlung von Schlüsselqualifikationen

Von Wilfried Mattner
Lübbecke (WB). Wer heute einen der raren Ausbildungsplätze ergattern kann, hat in aller Regel neben guten schulischen Leistungen vorher auch ein wenig Glück gehabt - denn die Konkurrenz um eine solche Stelle ist bekanntlich groß. Am Ende soll dann die Gesellenprüfung stehen, mit der das Tor in die berufliche Zukunft noch weiter aufgestoßen werden soll. Doch bis dahin ist es ein weiter Weg, der durchaus mit Schwierigkeiten gepflastert sein kann. Und manchmal sind die Hürden so hoch, dass man sie nur noch mit fremder Hilfe überwinden kann.

Solche ausbildungsbegleitenden Hilfen bietet der Verein Fachwerk an, und zwar im Auftrag der Agentur für Arbeit. »Fachwerk« besteht seit 1997. Zuerst war dieser Träger der Freien Jugendhilfe mit Hauptsitz in Dinklage nur in Niedersachsen tätig; seit dem 1. September vergangenen Jahres gibt es auch in Nordrhein-Westfalen Niederlassungen. Mittlerweile ist der Verein an insgesamt 35 Standorten vertreten, davon dreimal im Kreis Minden-Lübbecke und einmal in Löhne. Betreut werden junge Erwachsene im Alter von 17 bis etwa 26 Jahren, ledig oder verheiratet, bei denen der erfolgreiche Abschluss der Lehre gefährdet erscheint. In Lübbecke ist »Fachwerk« in Räumen Am Markt 20 aktiv. Sieben hauptberufliche Mitarbeiter - vier Sozialpädagogen und drei Lehrkräfte (Dipl.-Kauffrau, Dipl-Ing. und Werkzeugmacher/Erzieher) - kümmern sich um die jungen Leute mit dem Ziel, ihren Ausbildungserfolg zu sichern. 135 Plätze stehen zur Verfügung, und es gibt noch freie Kapazitäten.
Der angebotene Stütz- und Förderunterricht und die sozialpädagogische Begleitung beinhalten die folgenden Aspekte: Das Lernen lernen, Grundlagen aufarbeiten, Inhalte der Berufsschule verbessern und stabilisieren, Vorbereitung auf Zwischen- und Abschlussprüfung, Hilfen bei privaten Schwierigkeiten und Förderung der sozialen Kompetenz. Probleme in der Ausbildung, Schule und Familie sind nach der Erfahrung von Gudula Heine, Leiterin der Fachwerkniederlassung in Lübbecke, selten isoliert zu betrachten: »Lernprobleme gehen auch oft mit alltäglichen Problemen einher.« Die meisten jungen Menschen schafften es, ohne Hilfe klarzukommen, doch bereite der »Verdrängungswettbewerb von oben nach unten« in Sachen Ausbildung mehr und mehr den Haupt- und Sonderschülern Schwierigkeiten. Ihnen auf dem Ausbildungsmarkt bessere Chancen zu verschaffen sei auch Ziel von »Fachwerk«.
In Kleingruppen von zwei bis sechs Teilnehmern werde zunächst untersucht, wo es Defizite gibt, um sie dann zielgerichtet abzubauen. Dafür stehen drei bis acht Stunden pro Woche zur Verfügung. Daneben läuft - so erforderlich - die soziale Begleitung, die sich auf die Betreuung der Teilnehmer in Schule und Familie erstreckt und z.B. auch notwendige Behördenbesuche beinhaltet. Denn Mängel in der Ausbildungsleistung könnten vielschichtige Ursachen haben. Lernschwierigkeiten gehörten dazu, Überforderung, mangelnde Konzentrationsfähigkeit, Sprachschwierigkeiten, Probleme mit der eigenen Rollenfindung und natürlich auch familiäre.
Die sozialpädagogische Betreuung beinhaltet eine enge Zusammenarbeit mit den Ausbildungsbetrieben und den beteiligten Schulen. Informationen werden ständig ausgetauscht. »Aber nie über die Köpfe der betroffenen jungen Menschen hinweg; sie sind immer und zu jeder Zeit eingebunden«, betont Sozialpädagogin Ulrike Schwarze, die die Fachwerk-Arbeit an den drei Standorten im Mühlenkreis plus Standort Löhne koordiniert. Für jeden Teilnehmer werde ein spezieller Förderplan erstellt, basierend auf den eigenen Angaben und Vorschlägen, wie eine Verbesserung der Situation erreicht werden könnte. Denn wichtig sei, die Probleme selbst zu erkennen, Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen und einen Zeitplan zum Abstellen zu erarbeiten. Ständige Erfolgskontrolle gehöre ebenfalls dazu.
Die Arbeit von »Fachwerk« ist für die Auszubildenden und Betriebe kostenlos, denn die Agentur für Arbeit fördert Lehrlinge, die bei sich Defizite entdecken und sie abstellen wollen - auch schon ab dem ersten Ausbildungsjahr. Sinnvoll sei, wenn die jungen Leute selbst kämen, sich von »Fachwerk« beraten lassen und sich dann bei der Agentur für Arbeit um eine Förderung bemühen. »Das macht nachhaltig das eigene Interesse an Hilfe deutlich«, so Lehrkraft Stefan Strübbe, tätig als Werkzeugmechaniker und Erzieher. Wichtig sei es insbesondere, nicht erst kurz vor einer Prüfung zu kommen: »Denn Lücken gibt es meist bereits seit dem ersten Lehrjahr.« Bei Schulproblemen gehe es darum, zum Lernen zu motivieren und Lösungen gemeinsam zu erarbeiten. Dabei versuche man, die individuell richtige Lernmethode herauszufinden, um so Lücken zu schließen. Darüber hinaus würden Schlüsselqualifikationen vermittelt: Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und vernünftige Arbeitsorganisation.
Defizite gebe es meist in Mathematik und Deutsch; Politik interessiere die jungen Leute oft kaum, so Strübbe: »Sich damit zu beschäftigen ist für die Meisten eine Qual.« Dieses Verhalten führt er jedoch auf die Perspektivlosigkeit vieler jungen Menschen zurück - und damit sei es wiederum ein gesellschaftliches Problem. Doch neben den erfahrbaren ständigen Veränderungen und der Erkenntnis, »dass ich nichts bewirken kann«, hänge Interesse oder Desinteresse in hohem Maße von der Qualität des Unterrichtes ab: »Gut arbeitende Pädagogen haben auf der anderen Seite meist auch interessierte Schüler sitzen.«
»Fachwerk« hat in der vergangenen Gesellen-Winterprüfung von 20 Teilnehmern immerhin 15 erfolgreich durch die Tests gebracht. Ein gutes Ergebnis nach Meinung der Verantwortlichen auch angesichts der Tatsache, dass in kürzester Zeit enormer Nachholbedarf zu bewältigen war.
Wer die Hilfe von »Fachwerk« in Anspruch nehmen will, wendet sich an den Verein unter Telefon 0 57 42 / 23 20 43 oder an die Berufsberatungen der Agentur für Arbeit vor Ort. Weitere Informationen gibt es auch im Internet unter der Adresse
www.fachwerk-ev.de

Artikel vom 03.05.2006