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Der Spargel
lässt sich
diesmal Zeit

Saison beginnt so spät wie nie

Von Manfred Köhler
Verl (WB). Während nach Kälte und Regen die Sonne endlich die Natur zum Grünen und Blühen bringt, will es aber den Verler Spargelbauern einfach nicht warm werden ums Herz. »Die Saison beginnt in diesem Jahr so spät wie nie, wir liegen trotz Folie zehn Tage über der Zeit«, erklärt Landwirt Willi Große-Wächter aus Sende und klagt: »Den Verlust können wir gar nicht mehr rausholen.«

Unter seinen schwarzen Schutzfolien zeigt sich auf der sieben Hektar großen Anbaufläche bislang nur hier und da ein neugieriger Spargelkopf. »Die Kunden sind schon ganz ungeduldig, das Telefon steht nicht still«, erzählt Willi Große-Wächter.
Jörg Springensguth aus Kaunitz geht es nicht anders. Immer wieder vertröstet er die Kunden - aufs kommende Wochenende. Denn dann hoffen beide Spargelbauern die ersten Kundenwünsche erfüllen zu können. »Dazu brauchen wir aber Sonne«, meint der junge Unternehmer aus Kaunitz, bei dem während der Saison pro Tag etwa zwei bis drei Tonnen Spargel durch die Sortieranlage laufen. Wie die beiden Spargelbauern und ihre Kunden warten auch die polnischen Saisonarbeiter. »Die rufen immer wieder an«, sagt Willi Große-Wächter. 18 Helfer erwartet er, zwei weniger als im Vorjahr, da er per staatlicher Auflage verpflichtet ist, zehn Prozent deutsche Helfer einzustellen. »Im Grunde sinnvoll bei dieser Arbeitslosenzahl, aber es findet sich kaum jemand«, sagt er.
Während Willi Große-Wächter mit dem Starttelefonat nach Polen noch etwas warten will, trafen gestern auf dem 100 Hektar-Hof von Springensguth 53 polnische Helfer ein. Sie finden ganz neue Unterkünfte vor, denn Jörg Springensguth hat im Vorjahr nach Brandschutzauflagen des Kreises sofort reagiert und im benachbarten Schloß Holte-Stukenbrock 26 Container aufgekauft, die ihren Zweck als Asylantenunterkunft erfüllt hatten. 50 000 Euro hat der Landwirt investiert und so geräumige Zwei- bis Vierbettzimmer mit Sanitärbereich, begehbarem Kühlschrank und einem Wohnzimmer mit Satellitenfernsehen geschaffen. »Der Empfang von polnischen Sendern ist gesichert«, lacht er. Überhaupt soll es seinen Helfern an nichts fehlen, denn diese seien wirklich hochmotiviert und leisteten in einer Siebentagewoche in zwei Monaten echte Knochenarbeit.
Die leisten Edeltraud Steffenfauseweh und ihre Familie ganz alleine, bei ihnen ist der Spargelanbau Liebhaberei und Nebenerwerb. Und sie haben gegenüber ihren großen Mitbewerbern gut lachen und die Nase vorn, denn der erste Spargel aus ihrem zwei Hektar großen Feld ist schon auf dem Weg in die Kochtöpfe glücklicher Kunden. »Wir haben Dienstag die ersten zwölf Kilo gestochen«, freut sich die Landwirtin. Auch bedrücken sie nicht die Sorgen der beiden großen Spargelbauern, die nach dem Kältestau mit einem schlagartigen Austreiben rechnen. »Der Spargel kommt bestimmt und dann wahrscheinlich geballt«, meint Jörg Springensguth, der wie sein Kollege Willi Große-Wächter damit rechnet, dass dies auf den Preis drücken könnte. Hinzu komme, so der Sender Landwirt, dass für die polnischen Arbeiter erstmals Sozialabgaben erstattet werden müssten. »Das erhöht die Lohnkosten um 50 Prozent.« Mit Vorfreude sehen die Landwirte der Erdbeerernte entgegen. Willi Große-Wächter: »Die Erdbeeren stehen gut, das wird eine reiche Ernte geben.«

Artikel vom 27.04.2006