28.04.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Fliegel setzt auf die Gesundheitskarte

Flächendeckende Einführung nicht vor 2008 -ÊHöxteraner Unternehmen ist vorbereitet

Von Ingo Schmitz
Höxter (WB). Die Menschen in Heilbronn, Ingolstadt, Bremen, Wolfsburg, Bochum, Essen, Trier, Löbau-Zittau und Flensburg haben sie schon: die neue elektronische Gesundheitskarte. In diesen Städten läuft derzeit die Testphase. Doch auch ein heimisches Unternehmen beschäftigt sich intensiv mit dieser Thematik: Die fliegel data GmbH in Höxter.

Das Unternehmen mit insgesamt 75 Mitarbeitern, davon 50 in Höxter, gehört zu den führenden Firmen bei der Entwicklung von Computerprogrammen im Gesundheitswesen. Schon zum Januar 2006 sollte nach Willen von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt die neue Gesundheitskarte bundesweit an den Start gehen.
Aus Sicht von Dr. Wolrad Rube, geschäftsführender Gesellschafter von fliegel data, war das Vorhaben allerdings zu ambitioniert. »Es wäre völlig unmöglich gewesen, in der kurzen Zeit 80 Millionen neue Karten auszustellen und an die Menschen auszugeben. Zum Glück hat man die zeitlichen Vorgaben korrigiert«, stellt der Experte fest.
Auch wenn die neue Gesundheitskarte derzeit wegen der enthaltenen persönlichen Daten aus Sicht mancher Kritiker noch sehr umstritten ist (Stichwort: »gläserner Patient«), ist sie nach Meinung von Dr. Wolrad Rube zwingend notwendig. Fliegel data ist selbst in dem Arbeitskreis zur Entwicklung dieser Karte beratend tätig. Allerdings, so kritisiert Dr. Rube, kommt die »Gematik« (Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte) bedauerlicherweise nur sehr langsam voran.
Die Karte bringe wesentliche Vorteile mit, die in erster Linie den Patienten zugute kämen. Ein Beispiel: Sämtliche Notfalldaten (Blutgruppe oder auch Medikamentenverträglichkeit) werden auf einem Chip gespeichert -Êwichtige Informationen, die bei jedem unvorhergesehenen Krankenhausaufenthalt eine entscheidende Rolle spielen. Weiterhin vereinfache die Karte die Kommunikation zwischen Arztpraxen, Krankenhäusern und Rehakliniken, da die Patientendaten nicht ständig neu erfasst werden müssten.
Die Karte sei zudem Voraussetzung für die Einführung des elektronischen Rezepts. Rube: »Jährlich werden 870 Millionen Rezepte in Deutschland geschrieben -Êvielfach noch handschriftlich, was zu Problemen in den Apotheken führt.« Ein weiteres schlagkräftiges Argument sei die Tatsache, dass die neue Karte den Missbrauch deutlich einschränke. »Allein dadurch, dass die Karte mit einem Foto des Inhabers versehen ist, können Millionenverluste bei den Krankenkassen verhindert werden«, rechnet Rube vor.
»Wir Hersteller sind auf die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte bestens vorbereitet. Da uns aber noch konkrete Vorgaben fehlen, ist es uns nicht möglich, die Software fertig zu stellen. Wir werden aber einer der ersten Hersteller sein, der den Kliniken und Ärzten entsprechende Lösungen anbieten wird«, verspricht Rube.
Die flächendeckende Einführung der Karte werde nicht vor 2008 möglich sein, meint der Experte. Bis dahin müssten Regierung und Gematik noch zahlreiche Fragen klären. Somit haben die Krankenhäuser noch etwas Zeit, die notwendigen Investitionen, zum Beispiel in spezielle Kartenlesegeräte, zu tätigen.
Dr. Wolrad Rube gibt einen Ausblick darauf, was die Patienten künftig erwartet: Als Inhaber der elektronischen Gesundheitskarte wird es ihnen möglich sein, selbst zu bestimmen, welche Daten für welchen Arzt oder welche Einrichtung lesbar sind. Aus diesem Grund werden »Patienten-Kioske« eingerichtet, an denen die Karten-Inhalte eingegeben werden können. Diese Kioske sind vergleichbar mit einem Selbstbedienungs-Terminal im Geldinstitut.
Rube: »Diese Systeme müssen altersgerecht sein. Schriftgröße, Farbgestaltung und eine simple Bedienung sind entscheidend.« Seiner Meinung nach wird es notwendig sein, dass die Patienten bei der Einführung der Karten von den Kostenträgern (Krankenkassen), den Ärzten und den Mitarbeitern in Arztpraxen und Kliniken beraten werden. »Es muss und wird Hilfestellungen geben«, stellt der Unternehmer fest, der keine Probleme beim Datenschutz sieht: »Bankdaten enthalten auch sensible Angaben und die werden schon heute nahezu bedenkenlos über das Internet ausgetauscht.«

Artikel vom 28.04.2006