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Die Uni platzt aus allen Nähten

Überfüllte Hörsäle gefährden die Sicherheit - Studierende sind stocksauer

Von Hubertus Hartmann (Text)
und Bernhard Liedmann (Fotos)
Paderborn (WV). Tim Niemeier ist total sauer. »Ich bin nur für diese eine Vorlesung aus Bielefeld angereist«, sagt er, »und jetzt das«: Der Hörsaal ist total überfüllt, kein Platz mehr frei. Frustriert fährt Tim wieder nach Hause. Es ist der alltägliche Ausnahmezustand an der Uni Paderborn.

Bei der Vorlesung von Prof. Thomas Gries zur »Einführung in die Volkswirtschaftslehre« drängen sich weit über 800 Studierende im Audimax. Die 602 Sitzplätze sind schon eine halbe Stunde vorher belegt. Bald darauf ist auch auf den Treppen kein Durchkommen mehr. Irgendwo haben ein paar findige Studenten Tische organisiert und schleppen jetzt etwa ein Dutzend in den Saal. Schon sind auch die Ausgänge zugestellt.
»Ganz astrein ist das nicht«, kommentiert Sicherheitsingenieur Martin Hohrath, »aber es war schon schlimmer, und der Notausgang ist immerhin frei«.
Michael Steinmann, stellvertretender Vorsitzender der Fachschaft Medienwissenschaften, hat die Brandschutzexperten der Hochschule alarmiert. »Unter solchen Bedingungen kann man doch nicht studieren, die Sicherheit ist nicht mehr gewährleistet«, schimpft der Student im achten Semester.
Bei Baudezernentin Dr. Martina Gerdes-Kühn rennt Steinmann offene Türen ein. »Menschenmassen in überfüllten Sälen sind unser großes Problem«, räumt sie ein. »Wir leiden tatsächlich unter einer Extremsituation.« In einem Jahr, so hofft sie, soll ein neuer Hörsaal mit 420 Sitzplätzen fertig sein. Aber noch ist mit dem Bau nicht begonnen. Paderborn wartet auf die Zustimmung aus Düsseldorf.
Mit 14 700 Studierenden, so vielen wie nie zuvor, platzt der Campus inzwischen aus allen Nähten. »Fast alle Fachbereiche sind völlig überlaufen«, weiß AStA-Referent Ralf Mischer.
Tim Niemeier will versuchen, den Vorlesungsstoff am eigenen Schreibtisch zu büffeln. »Aber dass man in Paderborn als Student zwangsweise zum Autodidakten wird, ist wohl kaum der Sinn eines Hochschulstudiums«, kritisiert Michael Steinmann.

Artikel vom 26.04.2006