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Schießturm war
gutes Brennholz

Vogelschießen ist immer ein Höhepunkt

Selten dürfte den Verantwortlichen des Paderborner Bürger-Schützenvereins von 1831 für das Vogelschießen der Schreck so in die Glieder gefahren sein wie am Sonntag des Schützenfestes 2002, als Oberstleutnant Matthias Stute und Platzmajor Wolfgang Fischer nach dem Prinzenschießen die Anlage noch einmal überprüfen wollten: plötzlich riss das Stahlseil, das den Kugelfang hält. Krachend fiel er zu Boden, während das Seil im Turm herunterbaumelte. Die beiden Schützen konnten sich gerade noch retten.
Mit Hilfe der Kranfirma Hofmann konnte der Kugelfang wieder hochgezogen und befestigt werden, so dass dem Königsschießen am Montag nicht mehr im Wege stand. Den Vorfall hat der Vorstand des PBSV zum Anlass genommen, den Schießturm im Frühjahr 2003 einer grundlegenden Sanierung zu unterziehen, bei der vor allem die Stahlseile und Halterungen renoviert und ein neues Windwerk angeschafft wurden.
Das Ereignis soll Veranlassung geben, auf die Geschichte der Schießtürme auf dem Schützenplatz zurückzublicken. Zum Selbstverständnis eines Schützenvereins gehört notwendigerweise das Schießen, das von Anfang an als Vogel- und als Scheibenschießen durchgeführt wurde. Der Vogel glich seit Gründung des Vereins dem preußischen Adler. Der beste Schütze wurde König und erhielt zunächst ein Ehrengeschenk, bald aber auch einen Orden. Dabei war der Vogel auf einer Holzstange, normalerweise ein Lärchenstamm, angebracht; dieser Stamm musste regelmäßig erneuert werden. Es blieb nicht aus, dass sich beim Schießen Kugeln verirrten, und so hatte der Vereinsvorstand mit den nördlich des Schützenplatzes wohnenden Hauseigentümern im Jahre 1895 einen Vertrag geschlossen, dass diese während des Schießens für ein Entgelt von zehn Mark ihre Wohnungen verließen.
Das konnte jedoch keine Dauerlösung sein, und so beschloß der Vorstand am 30. Januar 1896 den Bau eines 25 Meter hohen Schießturmes, der aus Holz gefertigt sein sollte. Insgesamt 1360 Mark wurden aufgewendet; die Pläne hatte Anton Vonderbeck gezeichnet, während die Holzarbeiten Zimmermeister Josef Reike ausführte. Bereits zum Schützenfest 1896 konnte der neue Schießturm genutzt werden, den die Paderborner auch als Aussichtsturm nutzen, von wo man für 20 Pfennig einen schönen Rundblick auf die Stadt werfen konnte.
Bereits zehn Jahre später zeigte der Schießturm deutliche Verfallerscheinungen, denn die Witterung hatte der Holzkonstruktion erheblich zugesetzt. So beschloß der Vorstand am 4. Mai 1909 die Niederlegung des alten Turmes und eine völligen Neubau; wieder übernahm Anton Vonderbeck die Architekturplanung, während die Firma Caspar Tenge den Bau des Turmes besorgte und dafür 1900 Mark erhielt. Zum Schützenfest 1910 konnte der neue Turm erstmalig benutzt werden. Dabei erhielt der Turm einen Anstrich in »englischrot«. Dieser Schießturm stand bis zum Ende des 2. Weltkrieges, den er fast unzerstört überstanden hatte. Dennoch sollte sein Ende bald kommen, denn Paderborner Mitbürger gingen zum Schützenplatz und holzten ihn ab, um in den harten Nachkriegswintern Brennmaterial zu bekommen. Auch eine Reihe von Bäumen wurde zum gleichen Zweck abgeholzt.
Als man vom 21. bis 23. August 1948 das erste »richtige« Nachkriegsschützenfest feierte, hatte der Verein unmittelbar vor dem Fest (am 18. August) einen neuen Schießturm aufrichten lassen. Er war der erste aus Stahl gefertigte Turm von 17 Metern Höhe und 58 Zentnern Gewicht. Ursprünglich hatte der neue Schießturm als Signalmast in der Senne gedient und war durch die Firma Benteler umgebaut worden. Als man dann 1960 wieder mit dem Gewehr schießen durfte, waren dafür wichtige Umbauarbeiten, namentlich ein erheblich größerer Kugelfang, erforderlich. Unter Leitung des jetzigen Ehrenmitgliedes und -hauptmann Heinrich Lengeling erfolgten diese Umbauarbeiten, so dass der neue Schießturm 1960 seine Bewährung ablegen konnte. Regelmäßige Wartungsarbeiten sorgen dafür, dass der heutige Schießturm nicht das Schicksal seiner Vorgänger erlebt, um aber auch ähnlich Erlebnisse wie beim Schützenfest im Jahre 2002 zu vermeiden.
Klaus Zacharias

Artikel vom 18.05.2006