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Mit Haube und Spitze in Uromas Zeiten

Dorothea Kern ist die Trachtenfrau des Museums - ein Blick unter historische Hüllen

Von Annemarie Bluhm-Weinhold
Steinhagen (WB). Mit dem roten Rock und gold-schimmernden Häubchen fällt sie überall auf: Dorothea Kern trägt Tracht. Nicht im alltäglichen Leben, aber bei offiziellen und feierlichen Anlässen hüllt sie sich als Vertreterin des Historischen Museums in traditionsreiche Hüllen. Wenn sie Jeans gegen Wollrock tauscht, Schultertuch und Spitzenkragen umlegt, dann ist das wie eine Zeitreise. Das WESTFALEN-BLATT durfte sie begleiten.

Rund 20 Minuten dauert es, die acht Teile, aus denen die Tracht besteht, anzuziehen. »Ich fühle mich dann wie meine Urgroßmutter. Die hatte auch immer ein Häubchen auf«, sagt die 48-Jährige. Das Häubchen ist auch das Lieblingsstück der Steinhagenerin in ihrer historischen Garderobe: Aus goldfarbenen Metallfäden gefertigt, aufwändig mit Brokatstickerei, Spitze und Seidenbändern verziert zeugt der mehr als 100 Jahre alte Kopfputz von einem gewissen Reichtum seiner Trägerin. Diese war wohl im Osnabrücker Raum ansässig, weiß Dorothea Kern aus Berichten von Bürgern über die Heimat ihrer Haube.
Eine originale Steinhagener Tracht ist diese Tracht ja nicht, vielmehr stammen ihre einzelnen Teile aus allen Ecken dieser Region. Der Rock etwa aus dem Bückeburgischen. Er ist im typischen »Krapp«-Rot gefärbt - »ein besonderer Rotton, der sich auch in Uniformen fand. Denn auch die stellte die Firma her«, erklärt Dorothea Kern. Der Rock besteht aus gewalkter Wolle und hält in Kombination mit einer historischen - »gewöhnungsbedürftigen« - Unterhose sowie Skiunterwäsche seine Trägerin sogar im Schneetreiben auf dem Weihnachtsmarkt schön warm.
Weitere Elemente der historischen Garderobe: das Schultertuch aus Seide und mit Stickerei, der Spitzenkragen, ein Halstuch, das so zerschlissen ist, dass Dorothea Kern es nicht mehr trägt derzeit - und die Bernsteinkette. Sie ist der wertvollste Bestandteil der Tracht und eine Leihgabe der Steinhagenerin Erika Busse, Gattin des verstorbenen WESTFALEN-BLATT-Herausgebers Carl-Wilhelm Busse. »Auf diesen Schmuck sind wir besonders stolz, er komplettiert die Tracht ganz hervorragend«, sagt Dorothea Kern. Bernsteinketten gehören seit jeher zur Minden-Ravensberger Tracht und waren ein Statussymbol: »Je dicker die Kette, desto reicher war die Frau, die sie trug«, sagt die Steinhagenerin und weist auf die riesigen polierten Steine hin, die so wuchtig aussehen, aber doch ganz leicht sind. Zusammengehalten wird die Kette von einer prächtigen Silberschließe.
Nicht nur den Halsschmuck, sondern die ganze Tracht trägt Museumsvereins-Mitglied Dorothea Kern mit einer gewissen Würde - »man muss sie schon wegen des Alters sorgsam behandeln« - und großer Freude: »Ich bekomme auch ziemlich viele Komplimente«, gibt sie zu. Alteingesessene Steinhagener können sich auch noch an eine andere Dame in dieser Tracht erinnern: an Theodora Strothmann, die zusammen mit Paul Welp das Steinhagener Trachtenpaar bildete. Nach ihrem Tod hat das Historische Museum die Tracht erworben - nicht, um sie einzumotten, sondern dass sie weiterhin getragen wird. Dorothea Kern erschien dem Museumsvereins-Vorsitzenden Dieter Flöttmann die geeignete Nachfolgerin.

Artikel vom 21.04.2006