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»Tausche Torte gegen Vogel«

Gisela und Franz Fritsche aus Pödinghausen feierten ihre goldene Hochzeit

Von Antje Kreft
Pödinghausen (EA). Zum Start in den Wonnemonat legen die Engeraner gerne eine flotte Sohle aufs Parkett. Einen ganz besonderen Tanz in den Mai erlebten Gisela und Franz Fritsche 1955 in Pödinghausen. Ein Jahr später gaben sie sich das Jawort. Jetzt feierte das Ehepaar die goldene Hochzeit.
Gisela und Franz Fritsche gaben sich am 14. April 1956 in der Kirche St. Dionysius das Jawort.
Gesehen haben sich die 70-jährige Pödinghauserin und der aus Schlesien stammende 90-Jährige schon Anfang der 1950er Jahre das erste Mal. Den gelernten Schuhmachermeister Franz Fritsche hatte es 1949 nach fünfeinhalbjähriger Kriegsgefangenschaft in Russland nach Pödinghausen verschlagen. Dort wohnte er mit zwei anderen Familien in dem mittlerweile abgerissenen Holzhaus im Wald zwischen der Martin- und der Bielefelder Straße, der so genannten »Baracke«. Dort wollte er sich auch eine neue Existenz aufbauen - mit einer Schuhmacherwerkstatt. Bei der Einrichtung der Elektrizität in den Arbeitsräumen half ihm Friedel Wemhöner. »Irgendwann forderte mein Vater meine Schwester und mich auf, unsere Schuhe doch dann auch bei dem neuen Meister reparieren zu lassen«, erinnert sich Gisela Fritsche. So gehörte die Familie Wemhöner im Laufe der Zeit zu den ersten Stammkunden von Franz Fritsche. Dieser reparierte nicht nur, sondern fertigte auch neue Exemplare - bis hin zu orthopädischen Schuhen. 1953 zog Franz Fritsche aus der »Baracke« aus und baute ein paar hundert Meter weiter an der Sundernstraße ein eigenes Heim. Dort richtete er sich ein Schuhgeschäft mit Werkstatt und inklusive Schaufenster ein. Die Familien Wemhöner und Fritsche waren mittlerweile sehr gut befreundet. Dass aus der jungen Gisela Wemhöner und dem schon reiferen Junggesellen Franz Fritsche ein paar Jahre später ein Liebespaar werden könnte, hätte zu diesem Zeitpunkt noch niemand gedacht. Gefunkt hat es am 1. Mai 1955 auf einem Tanzfest in der ehemaligen Gaststätte »Neuer Krug« in Pödinghausen. »Ich kannte Gisela schon so lange, da habe ich sie natürlich zum Tanzen aufgefordert«, sagt Franz Fritsche mit einem Schmunzeln im Gesicht. Außerdem fand eine Verlosung statt, bei der Gisela Wemhöner und Franz Fritsche zu den glücklichen Gewinnern gehörten. Mit ihrem Preis, einer Torte, war die damals 18-Jährige allerdings nicht so ganz zufrieden. Der Gewinn ihres Schuhmachers, ein Kanarienvogel, gefiel ihr viel besser. So fragte sie ihn kurzerhand, ob er nicht tauschen wolle. Franz Fritsche sagte zu und ließ sich die Torte schmecken. Wen er damals zum köstlichen Schmaus eingeladen hat, ist nicht bekannt. »Ich war es jedenfalls nicht«, sagt Gisela Fritsche, »aber ein paar Tage später hat er sich erkundigt, wie es meinem Vogel geht.«
Verlobung wurde ein halbes Jahr später am ersten Weihnachtstag 1955 gefeiert. Pastor Ungrad traute das Paar am 14. April 1956 in der katholischen Kirche St. Dionysius in Enger. Die Eheleute haben zwei Söhne, einen Enkel und drei Enkeltöchter.
Bis zu seinem 80. Lebensjahr hat Franz Fritsche täglich in seiner Werkstatt gearbeitet. In den vergangenen Jahren ist er etwas kürzer getreten. Wenn jemandem in der Familie der Schuh drückte, war er dennoch immer sofort zur Stelle. Das gehört sich für ihn so.

Artikel vom 21.04.2006