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Einigung am Gartenzaun

Rietberger Schiedsleute schlichten meist Streitereien unter Nachbarn

Rietberg (WB). »Wir sind Streitschlichter, kein Gericht, und wir sprechen auch kein Recht.« Darauf legen Schiedsmann Joachim Evers und Stellvertreterin Maria Depenbusch viel Wert. Denn: oftmals hat die Funktion des ehrenamtlichen Schiedsmannes in der Öffentlichkeit ein anderes, nicht der Realität entsprechendes Bild.

Dabei ist, so hat es das Schiedamtsgesetz festgeschrieben, die »Aufgabe der Schiedspersonen die gütliche Schlichtung streitiger Rechtsangelegenheiten. Der Schiedsmann ist kein Schiedsrichter und nicht zu einer Entscheidung irgendwelcher Art berufen. Zwang zur Einigung darf nicht ausgeübt werden.« Evers: »Eigentlich ist der Begriff Schiedsmann irreführend, Streitschlichter wäre besser.« Zu den Zuständigkeiten gehören bürgerliche Rechtsstreitigkeiten bis zu einem Streitwert von 600 Euro wegen vermögenrechtlicher Ansprüche auf Schadenersatz, Schmerzensgeld, Beachtung der Hausordnung oder Wahrung nachbarrechtlicher Belange. Auch bei Ehrverletzungen sowie in Strafsachen wie Hausfriedensbruch, Beleidigung, Verletzung des Briefgeheimnisses, Körperverletzung, Bedrohung und Sachbeschädigung sind Schiedspersonen zuständig.
Ewers: »Unsere Tätigkeit setzt sich zusammen aus sogenannten Tür- und Angelfällen und aus den offiziellen Schlichtungsverfahren.« Die Tür- und Angelfälle beinhalteten oftmals Telefonate oder kurze Gespräche, bei denen sofort eine Einigung erzielt werden könne. »Hier gibt es keine Formalitäten. Solche Fälle haben wir sechs bis acht pro Jahr«, so Maria Depenbusch, die vor einem Jahr neu vom Stadtrat zur Stellvertreterin von Evers berufen wurde. Bei einem Dutzend Vorkommnissen im Vorjahr wurde offiziell ein Schiedsverfahren eingeleitet, in 2004 waren es elf, in 2003 17 und in 2002 auch elf Schlichtungsvorgänge. Die Erfolgsquote der Rietberger Schiedsleute ist hoch. Nur in zwei Fällen konnten im vergangenen Jahr keine Einigungen erzielt werden. Auch wenn die individuellen Inhalte natürlich der Schweigepflicht unterliegen, so verraten die beiden Rietberger doch: »Mittlerweile stehen die Nachbarschaftsstreitigkeiten deutlich im Vordergrund.« Kräht der Hahn des Nachbarn in der Wohnsiedlung im 4 Uhr in der früh, bellt der Hund mehr als insgesamt eine halbe Stunde pro Tag, schmeißt der Magnolienbaum seine Blüten auf Nachbars Einfahrt, immer dann sind Schiedsleute gefordert. Ein Schlichtungsverfahren kostet zwischen 35 und 40 Euro an Gebühren. Ziel ist eine außergerichtliche Einigung, »dabei muss aber die Kompromissbereitschaft von beiden Parteien vorhanden sein«, erklärt Evers, »bleibt eine Seite bei einem konsequenten Nein, dann ist nichts zu machen.« Schon im Vorfeld besuchen die Schiedspersonen beide Seiten. »Gerade bei Nachbarschaftsstreitigkeiten ist es oft wichtig, die Situation vor Ort zu sehen.« Evers betont, dass, egal worum es gehe, der Schiedsmann stets eine objektive Sichtweise haben muss. Angegliedert in der Stadtverwaltung dem Bereich »Bürgerdienste« in enger Kooperation mit Sachbearbeiterin Christa Habrock haben Evers und Depenbusch ein Büro im städtischen Gebäude Bolzenmarkt 4 bis 6. »Das Wichtigste in unserem Raum ist ein großer Tisch«, schmunzeln beide, »denn es kommt oft vor, dass 8 bis 10 Personen an einer Schlichtungsverhandlung teilnehmen.« Eingerichtet ist auch eine Hotline. Unter der Rufnummer 0 52 44 / 9 75 94 60 können Interessenten die Rietberger Schiedsleute erreichen.

Artikel vom 21.04.2006