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Reise in die Vergangenheit

100 Mitglieder halten alte Handwerkskunst am Leben

Von Per Lütje (Text und Fotos)
Löhne-Wittel (LZ). Ein Besuch der Museumsanlage Rürupsmühle ist eine Reise in die Vergangenheit. Hier wird zweimal im Monat noch wie zu Urgroßvaters Zeiten altes Handwerk gelebt: vom Korn zum Brot eben - so wie auch der Name des rührigen Vereins ist, der seit seinen Anfängen im Jahr 1980 ein wahres Kleinod auf dem Wittel geschaffen hat.

Helmut Wehage ist ein Mann der ersten Stunde. »Als wir 1980 die alte Mühle übernommen haben, sah sie zwar schlimm aus, aber die Technik und das Wasserrad waren noch da«, erinnert sich der Vereinsvorsitzende. Doch einfach nur das alte Gebäude, das erstmals 1587 urkundlich erwähnt wurde, zu sanieren, das kam für ihn und seine mittlerweile 100 Mitstreiter nicht in Frage: »Zur Denkmalpflege gehört eine sinnvolle Nutzung. Sonst fängt man nach 50 Jahren wieder von vorne an, die Mühle zu sanieren.« Also brachte der Verein das Mühlrad wieder in Schwung und demonstriert Besuchern seitdem die Arbeitsschritte, die notwendig sind, um von der Getreideernte zum fertigen Brot zu gelangen.
Im Laufe der Jahre wurde der Gebäudebestand auf dem Gelände immer größer. Hinzu kamen das Bauernhaus Stork, das ehemals in Oetinghausen stand, das Backhaus Wiebesiek aus dem Jahr 1841, das nach seinem Abbau in Vlotho-Valdorf 1984 eingeweiht werden konnte, der Fachwerkspeicher aus Spenge-Bennien, der heute als Ausstellungs- und Veranstaltungsraum dient und schließlich der Holzschuppen, in dem das Brennholz für das Backhaus gelagert wird.
Um die alten Gemäuer in ihren jetzigen Zustand zu versetzen und vor allem auch zu erhalten, ist viel Eigeninitiative der Vereinsmitglieder gefordert. »Wir erhalten keine öffentlichen Fördermittel und finanzieren uns aus dem Kaffee,- Kuchen- und Brotverkauf«, betont Helmut Wehage und scheint auf die wirtschaftliche Unabhängigkeit des Vereins auch ein bisschen stolz zu sein. Unterstützung erhält »Vom Korn zum Brot« von der Sparkassenstiftung und auch von der Stadt, die die Pacht für das Gelände bezahlt.
Die Pflege des alten Brauchtums stößt vor allem bei Kindern auf große Begeisterung. »Wir haben hier in jedem Jahr 50 Schulklassen und Kindergartengruppe. Für sie ist es spannend, den gesamten Vorgang bis zum fertigen Brot mitzumachen. Dafür haben wir uns extra kleine Dreschflegel speziell für Kinder zugelegt«, sagt Wehage.
Ihm sei wichtig, den Besuchern vor Augen zu führen, dass Brot nicht irgendwas ist. »Brot spielt in unserer christlichen Tradition eine wichtige Rolle, und das betonen wir auch. Die Kinder erkennen, dass das Brot kein Wegwerfartikel, sondern etwas Besonderes ist.«
Und dass altes Brauchtum durchaus »cool« sein kann, beweist die Nachwuchsabteilung des Vereins. Neun aktive Jugendliche zählt »Vom Korn zum Brot«. Einer von ihnen ist Daniel Behm. Der 16-Jährige ist hauptsächlich im Backhaus, wo er für das Anheizen des Ofens zuständig ist. »Das dauert etwa vier bis fünf Stunden. Anschließend wird die Holzglut entfernt, und das Brot eine Stunde auf den heißen Steinen gebacken«, erklärt er.
Diese Aufgabe erfüllt der Jugendliche ebenfalls nach alter Väter Sitte. Mit der »Ähren-Probe« prüft Daniel, ob der Ofen die richtige Temperatur hat. »Dazu wird eine Kornähre in die Glut gehalten. Dabei betet man das Vater Unser, das als Zeitmaß dient. Ist die Ähre goldgelb gefärbt, passt die Hitze.«
Der 16-Jährige engagiert sich bereits seit vier Jahren in dem Verein, und will dies auch weiterhin tun. »Viele Jugendliche sind in einem Sportverein. Das hier ist mal etwas anderes. Außerdem habe ich hier eine gute Gelegenheit, einfach mal abzuschalten«, sagt er - sehr zur Freude von Helmut Wehage. »Wir freuen uns, dass die Jugendlichen mit Herz und Seele dabei sind. Das gibt uns auch Sicherheit für die Zukunft.«

Artikel vom 19.04.2006