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Fahrschule macht den Weg frei für Behinderte

Bodo Brinkmann und Knut Weltlich unterstützen spezielles Angebot im benachbarten Halle


Werther (mw). »Leistung kennt kein Handicap«, sind sich Knut Weltlich, Konzernschwerbehindertenbeauftragter bei Bertelsmann, Bernd Ostmann von der Fahrschule Detlev Nerger in Halle und Bodo Brinkmann, Wertheraner Ratsmitglied und Betroffener, einig: »Mobilität ist heute die Vorraussetzung für das Leben. Behinderte sollen die gleichen Möglichkeiten haben wie gesunde Menschen.« Deswegen wird Bernd Ostmann ab sofort in Halle auch Fahrstunden für Rollstuhlfahrer und Menschen mit anderen Behinderungen anbieten.
Seit 1980 ist Ostmann Fahrlehrer. Im vergangenen Monat hat er einen dreitätigen Kursus absolviert, der ihm die besondere Qualifikation verliehen hat. »Generell haben alle Fahrlehrer die Erlaubnis, auch behinderte Menschen zu unterrichten, doch trauen sie sich das meist nicht zu.« Und noch weitere Probleme tun sich auf, wie Brinkmann berichtet, der nach seiner Armamputation selbst seinen Führerschein hat erneuern müssen: Die nächste Fahrschule, die Stunden für Menschen mit Behinderung anbietet, ist in Berlin oder Düsseldorf. Es gibt zwar 14 000 Fahrlehrer in Deutschland, doch haben nur etwa 200 davon eine Qualifikation wie Ostmann. Qualifizierte Prüfer gibt es noch weniger. Und bei dem Auto wird es erst richtig kompliziert. So steht das nächste Behinderten-Fahrschulfahrzeug in Kassel.
»Viel zu kompliziert«, finden die drei engagierten Männer. Das größte Problem der Behinderung sehen sie jedoch bei den hohen Kosten und den Vorurteilen, die oft auf Unkenntnis beruhen. So wurde Brinkmann bei der Fahrschule oder auch bei der Wahl eines Leihwagens von allen Seiten erst fassungslos angeguckt: Einem Behinderten traut man das Autofahren eben nicht zu.
Bernd Ostmann lässt in diesen Tagen einen VW Multivan behindertengerecht umbauen. Nach einer bestandenen Prüfung müssten sich die Fahrschüler dann selbst einen geräumigen Van umrüsten lassen oder das von Knut Weltlich mitgestaltete und wesentlich preiswertere Shuttleauto ersteigern. Dieses behindertengerechte Fahrzeug ist jedoch nur für eine Person zugelassen. Durch den Kofferraum kann der Rollstuhlfahrer bequem in das Auto gelangen. Noch in diesem Monat soll dieses Elektroauto die offizielle EU-Zulassung für den Straßenverkehr bekommen. Und Mitte Mai wird die Behindertenbeauftragte Karin Evers-Meyer nach Gütersloh kommen. Im Rahmen einer offiziellen Veranstaltung sollen das Elektroauto und das neue Angebot der Fahrschule Nerger vorgestellt werden.
Die Idee zum Ausbau der Fahrschule kam Ostmann im Dezember, als er zu dem Thema einen Bericht in der Zeitung las. Der gelernte Kfz-Mechaniker war sofort interessiert. Später wurde er auf den Wertheraner Knut Weltlich aufmerksam, der nun vermittelt. Durch seine Kontakte bei Bertelsmann kennt Weltlich genug Menschen, die sich so ein Angebot in einer Fahrschule wünschen. Und es gibt viele Arten von Behinderung: Menschen mit amputiertem Arm oder einem Hüftleiden: Schon die kleinsten Dinge erfordern ein spezielles Angebot.
»Menschen mit Behinderung bekommen nun auch in unserem Kreis endlich die Möglichkeiten«, freuen sich die drei Männer. Und genau aus diesem Grund, nämlich der fehlenden Konkurrenz, ist Bernd Ostmann sehr zuversichtlich was den Erfolg anbelangt.

Artikel vom 14.04.2006