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Brillanz mit vier Händen

Ausgereiftes Zusammenspiel von »Piano 2« begeistert

Rietberg (WB). Pianistische Ausgereiftheit im vierhändigen Zusammenspiel und große musikalische Reife bewiesen die Argentinierin Adriana Sanchez und die Deutsche Dorothee Broichhausen in ihrem gemeinsamen Klavierabend am Sonntag im Ratssaal des Alten Progymnasiums in Rietberg.

Exakte Unisonoläufe, brillierende, aus den Höhen wie den Tiefen kommunizierende Verzierungen, perlende, sich einander ablösende Modulationen: Jede Hand diente den jeweils anderen Händen als ließe nur eine einzige, durch die beiden seit 20 Jahren im Duo konzertierenden Pianistinnen hindurch wirkende, unsichtbare Musikerin ihre Finger über die Tasten gleiten! Die künstlerische Freundschaft, die die ehemalige Schülerin von Istvan Nades, Sanchez, wie die aus der Züricher Meisterklasse von Homero Francesch hervorgegangene Broichhausen verbindet, machte wohl die einmaligen Qualitäten ihrer atemberaubenden Interpretationen von »Triste No. 5« wie »Triste No. 3« des argentinischen Protagonisten, Julian Aguirre, der »Rapsodie espagnole« des europäischen Impressionisten, Maurice Ravel und der »Rapsodie in blue« des nordamerikanischen George Gershwin aus. War der Beginn des Konzertes von den innigen Melancholien der »Tristen« geprägt, führten die durch kristallklare Oberstimmen überstrahlte und hierdurch in tiefer Sehnsucht resultierende Traurigkeit in »Bailecito« von Carlos Guastavino mit »Malena« von Lucio Demare und »Nocturna« von Julian Plaza zu spannungsreichen Ergänzungen.
Die beiden Letzteren beinhalteten sowohl durch polarisierende, fast berstende und sich immer wieder in weiche Mollklänge auflösende Dissonanzen als auch durch hart expressive wie sanft verinnerlichte Rhythmik die italienischen, spanischen, afrikanischen und kreolischen Einflüsse des Tango. Ravels geheimnisvolles »Prelúde à la nuit« mit seinen in mystische Tiefen weisenden, von oben herab schreitenden Sekundenläufen, sein freudevoll tänzerisches »Malaguena«, sein sich um einen mittleren Grundton herum windendes »Habanera« und sein wie an das melodische Vorspiel zu einem Tango erinnerndes »Feria«, bildeten einen ersten konzertanten Höhepunkt vor und »Las Cuatro EstacionesÕ Portenas« von Astor Piazzolla einen Solchen nach der Pause. Das an Rilkesche Herbststimmungen erinnernde »Otonos«, das die Sehnsucht nach Wärme mit kompromisslos unbarmherziger Kälte umhüllende »Invierno«, der Neubeginn des vollen Lebens, als würde der Frühling im Mai beginnen in »Primavera« und die Festesstimmung dominierender Rhythmen in »Verano«, gelangen den Interpretinnen virtuos.
Johannes Zoller

Artikel vom 12.04.2006