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Das Begreifen kommt viel später

Jeanne Moreau und Melvil Poupaud im neuen François Ozon-Film

Romain (Melvil Poupaud) schmiegt sich an seine Großmutter Laura (Jeanne Moreau).
Von Elke Vogel
Berlin (dpa). Romain macht das Sterben ganz mit sich allein aus. »Ich glaube, niemand will es wissen«, sagt der 30-Jährige. Der Modefotograf hat kurz zuvor erfahren, dass er an einem Hirntumor leidet und nur noch kurze Zeit zu leben hat. Nach »Unter dem Sand« mit Charlotte Rampling macht der französische Regisseur François Ozon (»8 Frauen«, »Swimming Pool«) erneut Trauer und Tod zum Thema eines Films. »Die Zeit die bleibt« heißt er und läuft am 20. April in den Kinos an.
Romain, gespielt von Melvil Poupaud, ist kein sympathischer Mensch. Er ist arrogant, überheblich, egoistisch und ein bisschen brutal. Nach der Diagnose macht er ohne Angabe von Gründen Schluss mit seinem Freund. Auch seinen Eltern und seiner Schwester sagt er nicht, dass er bald sterben wird. Zu sehr scheinen ihm alle Familienmitglieder mit sich selbst beschäftigt zu sein. Einzig zu seiner Großmutter hat er Vertrauen. Diese von Jeanne Moreau eindrucksvoll verkörperte, lebenssatte und erfahrene Frau hat keine Angst vor dem Tod.
Stark ist der Film immer dann, wenn Ozon seinem Hauptdarsteller ganz nahe kommt. Dann ist die unglaubliche Angst dieses Mannes vor dem Verlust der Kontrolle zu spüren, seine Furcht vor Nähe und seine Vorbehalte, sich einem anderen Menschen zu öffnen. »Ich bin kein netter Mensch«, sagt Romain an einer Stelle. Dass es genau darum gar nicht geht, dass begreift der Verzweifelte irgendwann.

Artikel vom 14.04.2006