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Die Kraft der zwei neuen Herzen

Fahrgastschiff Höxter wird generalüberholt -Êfrische Farben und Motoren

Von Ingo Schmitz
Höxter/Minden (WB). Die alte Weserwerft in Minden liegt verlassen und verfallen unter regenschweren Wolken da. Dennoch herrscht in diesen Tagen an der Industriebrache rege Betriebsamkeit. Denn: Der größte Dampfer der »Flotte Weser« -Êdie »Höxter« - wird hier für die bald startende Saison fit gemacht. Nach fast 30 Jahren steht eine Generalüberholung an.

Der Geruch frischer Farbe weht vom Ufer der Weser aufs Land. Schiffsführer Günter Strumpen (55) hält in seinen Händen nicht wie gewohnt das Steuerrad, sondern eine Maler-Rolle. Seine Kapitänskappe hat er gegen eine alte Wollmütze getauscht, die Uniform gegen einen Blaumann. Und der Kapitän steht auch nicht im Steuerhaus der »Höxter«, sondern befindet sich in gebückter Haltung unter seinem »aufgebockten« Schiff, das bis zu 650 Personen fasst.
In der Werft erhält der 54-Meter-Pott einen neuen Anstrich. Weit mehr als 500 Quadratmeter hat Günter Strumpen pro Anstrich vor sich. »Erst haben wir den Schiffsboden entrostet. Jetzt kommt die neue Farbe drauf: erst grau, dann rot, dann schwarz«, verrät der 55-Jährige aus Lauenförde. Insgesamt sieben Farbschichten sollen den Stahl vor Rost schützen -Êeine Arbeit, die der Kapitän allein erledigt. Auch die Außenhaut des Fahrgastschiffes erhält einen neuen Anstrich sowie der Eingangsbereich eines Salons einen neuen Fußboden. Alles soll blitzen und blinken, wenn die »Höxter« am 23. April zur ihrer ersten Fahrt der neuen Saison zwischen Bad Karlshafen und Höxter-Corvey startet.
Maschinenschlosser Manfred Lüneberg befasst sich zwischenzeitlich mit den beiden neuen, kräftigen Herzen des Schiffes. Sie bringen die »Höxter« auf der Weser in Fahrt. »Die alten Motoren waren fast 30 Jahre alt, waren verschlissen und mussten nun ausgetauscht werden. Eine Reparatur wäre zu teuer geworden. Außerdem entsprachen sie nicht mehr den Abgas-Richtlinien«, berichtet der Hausmonteur der »Flotte Weser«.
Bislang wurde die »Höxter« auf Steuer- und Backbordseite von zwei Deutz-Aggregaten mit jeweils 275 PS angetrieben. Jetzt verrichten in dem Schiffsrumpf zwei Scania-Dieselmotoren ihre Arbeit, die dank Turbo-Aufladung die nagelneuen Schrauben mit jeweils 316 PS antreiben - insgesamt also 632 PS. »Das reicht für 15 Kilometer pro Stunde zu Tal und acht Stundenkilometer zu Berg«, ergänzt der Kapitän.
Der 43-jährige Monteur ist begeistert von den Marine-Motoren. »Sie sind kompakter gebaut und verfügen über eine Wasserkühlung. Sie sind wesentlich leiser als ihre Vorgänger«, schwärmt Lüneberg nach einem ersten Testlauf. Der neue Komfort hat seinen Preis. Die Motoren schlagen mit 40 000 Euro und die Kupplungen allein mit 20 000 Euro zu Buche. Für das Geld gibt es schon eine feudale Luxuslimousine.
Bereits in dieser Woche soll die Generalüberholung der »Höxter« - sie dauert schon seit Anfang März an - abgeschlossen sein. Vor der Aufnahme des Linienverkehrs zwischen Höxter und Bad Karlshafen Ende des Monats wird der Kahn nach Hameln gesteuert. An Ostern sind dort Rundfahrten geplant, berichtet der Kapitän. Und wenn das Wetter mitspielt, können sich die Passagiere dann dabei sogar auf dem Panoramadeck der »Höxter« sonnen.

Artikel vom 12.04.2006