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Fuchs und Kranich waren
früher die Ostereier-Boten

Haller Hobby-Historiker über seine Archiv-Funde

Halle (WB). Er war Ortsheimatpfleger in Obermarsberg, bevor er beruflich nach Halle gezogen ist. Seinem Hobby aber ist Andreas Böttcher treu geblieben: Er stöbert gern in alten Archiven. Und dabei ist er auf die nachfolgende etwas andere Ostergeschichte gestoßen - die von Fuchs und Kranich.

»Noch heute wird manchmal behauptet, daß der Ursprung des Osterfestes ein altgermanisches Frühlingsfest ist. Diese Behauptung ist falsch, es hat nie einen germanischen Vorläufer des Osterfestes gegeben.
Die Göttin Ostara oder Ostera, der zu Ehren das Osterfest in der vorchristlichen Zeit angeblich stattfand, ist ursprünglich wohl eine Erfindung des Benediktinermönches Beda Venerabilis (8. Jh.), der die Herkunft der ihm unverständlichen Bezeichnung »Ostern« durch diese erfundene Ableitung zu erklären suchte. Auch der Franziskanerprediger Bertholt von Regensburg spricht in einer seiner Predigten von einer heidnischen Göttin »Astaroth«, wobei er die im alten Testament genannte Göttin einfach den Erfordernissen seiner Predigt entsprechend nach Deutschland verpflanzte.
Im 19. Jahrhundert griff Jakob Grimm in seiner »deutschen Mythologie« diese Erfindung auf und machte sie populär. Bilder der Göttin ließen nicht lange auf sich warten. Die Fiktion erwies sich als erstaunlich langlebig. Noch 1982 wurde in einer westfälischen Tageszeitung eine Zeichnung abgedruckt, die die angebliche germanische Ostergöttin in Begleitung eines Storches und eines Hasen zeigt. Tatsächlich leitet sich das Wort »Ostern« von dem althochdeutschen »ostarun« ab, eine Bezeichnung für das liturgische Geschehen am Ostersonntag. Ostern heißt also genau genommen »Auferstehungsliturgie am Morgen«.
Der Osterhase taucht als Eierleger und Eierbringer erst im 17. und 18. Jahrhundert auf. In Westfalen machte man ursprünglich den Fuchs oder den Kranich für die mit Naturstoffen gefärbten Eier verantwortlich. Die evangelische Bevölkerung in den Städten aber trug in dieser Region wesentlich zur Ausbreitung des Osterhasen als Eierbringer bei. Nach und nach übernahm dann auch die ländliche Bevölkerung diese Figur als Osterboten, wozu die entsprechenden Abbildungen in Kinderbüchern, Zeitungen und auf Postkarten beigetragen haben dürften.
Der Brauch, zu Ostern Eier zu verschenken, stammt aus dem kirchlichen und obrigkeitlichen Umfeld. Bereits für das 9. Jahrhundert sind Zinseier, also Naturalabgaben in Form von Eiern, nachweisbar. Im Laufe der Zeit wurden aus den Zinseiern Geschenkeier, die sich »Liebende« gegenseitig überreichten oder die von den Paten an ihre Patenkinder weitergegeben wurden.
Da in der Fastenzeit Gläubigen verboten war, Eier zu essen, stellten die Ostereier etwas ganz besonderes dar. In Westfalen war es im 19. Jahrhundert und darüber hinaus üblich, daß jeder zu Ostern so viele Eier essen durfte wie er wollte. Das soll bei einigen kräftigen Knechten und Bauernsöhnen zu wahren Eieress-Orgien geführt haben.

Artikel vom 14.04.2006