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James Dean getroffen

Rainer Schnurre schreibt einen ungewöhnlichen Roman

Von Manfred Stienecke
(Text und Foto)
Paderborn (WV). Als James Dean 1955 starb, war Rainer Schnurre gerade zehn Jahre alt. Und doch will er ihm irgenwann einmal begegnet sein - vielleicht in einem früheren Leben?

Was so unwahrscheinlich klingt, macht der Paderborner Autor in seinem ersten Roman »Gespräche mit James Dean« literarisch plausibel. In seinem gerade erschienenen Werk reist der deutsche Filmregisseur David in den siebziger Jahren durch die USA. Mit Hilfe einer flüchtigen Bekanntschaft, der rätselhaften Gilda, begibt er sich zunächst unbewusst, dann aber mehr und mehr zielgerichtet auf die Suche nach der Schauspielerlegende. Und in der Nähe der Wüstenkreuzung, an der Dean bei einem Verkehrsunfall in seinem Porsche-Cabrio zu Tode kam, trifft er den Filmdarsteller tatsächlich und leibhaftig an. Man kommt ins Gespräch und tauscht sich - quasi von Kollege zu Kollege - über das Filmgeschäft aus. Verrückt? Vielleicht.
Aber fesselnd geschrieben. Man könnte meinen, Rainer Schnurre habe etwas von seinem Vater gelernt. Der 60-jährige Filmregisseur und Autor ist der Sohn des bekannten deutschen Kurzgeschichten-Schreibers Wolfdietrich Schnurre, der ganzen Schülergenerationen wegen seiner klaren poetischen Sprache und der stets zeitkritischen Thematik in den Deutschstunden begegnet ist.
Auch Rainer Schnurre erzählt interessant und sprachlich elegant - mit dem untrüglichen Gefühl für dramatische Effekte. Allein der bisweilen lehrerhafte Predigerton ist Geschmacksache. Aber der Leser wird doch fast unmerklich in die merkwürdige Geschichte hineingezogen, wobei ausgerechnet die Ich-Figur zunächst das vernunftbetonte Gegengewicht zur übersinnlichen Sphäre besetzt.
Klar hat der Roman auch autobiografische Züge. Ein ähnliches Erlebnis, wie es der Romanfigur David in der kalifornischen Kleinstadt Corpus Christi - welch ein Ortsname! - widerfährt, hat auch Rainer Schnurre vorzuweisen. Und das war für ihn Anlass, sich näher mit der Schauspiellegende zu beschäftigen. »James Dean war für mich in meiner Jugend interessanterweise kein Vorbild«, erinnert er sich heute. »Erst nachdem ich eine Biografie über ihn geschenkt bekommen und gelesen hatte, wollte ich mehr über ihn wissen und habe mir erstmals auch seine Filme angesehen.«
Die Beschäftigung mit anderen Personen als Hilfe zur eigenen Identitätsfindung empfiehlt Schnurre auch seinen Mitmenschen. Unter anderem an der Volkshochschule hat er Kurse zur »Biographie-Arbeit« angeboten. »Das ist eine Möglichkeit, dem eigenen Dasein auf die Spur zu kommen und den roten Lebensfaden zu finden«, ist Schnurre sicher. »Durch die bewusste Erinnerung an Erlebnisse, Träume und Begegnungen lässt sich das eigene Leben erst verstehen.«
Rund 55 Jahre lang hat Schnurre in Berlin gelebt und gearbeitet, bevor er im Jahr 2003 wieder in seine Geburtsstadt zurückgekehrt ist. Seine schwangere Mutter kam gegen Kriegsende aus Berlin zu entfernten Verwandten nach Henglarn und erlebte nach ihrer Ankunft in Paderborn im März 1945 den schweren Bombenangriff mit. In der damaligen Landesfrauenklinik an der Kisau brachte sie ihren Sohn Rainer zur Welt. Zu seinem Vater, der sich kurze Zeit später von der Mutter trennte, konnte Schnurre erst als Jugendlicher wieder Kontakt aufnehmen.
Zurück in Paderborn hat Schnurre zunächst mit einer kleinen Galerie für Kunst und Bücher (»Galerie 33«) in der Heiersstraße Fuß zu fassen versucht, die er inzwischen aufgegeben hat. Mit der Künstlerin Ulrike Sandbothe wohnt er in der Mühlenstraße.
Rainer Schnurre: »James Dean - Gespräche mit James Dean«, Verlag Ch. Möllmann Schloß Hamborn, 2006, 194 Seiten, 14 Euro.

Artikel vom 13.04.2006