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Viel Neues aus der
Haller Stadtgeschichte

Historiker Dr. Uwe Heckert hält Vortrag bei der Vhs

Halle (ka). 1811 kam Halle im Zuge der Neuordnung zum Kaiserreich Frankreich. Doch wo verlief die französisch-westfälische Grenze damals genau? Diese Frage stieß nach dem Vortrag von Dr. Uwe Heckert zum Thema »Neue Erkenntnisse aus der Haller Stadtgeschichte« am Montagabend im Bürgerzentrum Remise bei den 27 Besuchern auf großes Interesse. Eingeladen hatte die Volkshochschule Ravensberg.

Heckert erklärte mit Hilfe alten Kartenmaterials, dass die Grenzziehung den Kanton Halle während der »Franzosenzeit« etwa von Nordosten nach Südwesten zerschnitt. Von Werther bis Halle sei die Landstraße Grenze gewesen. Doch Verwechselungen von Namen und falsche Benennungen würden eine weitere genauere Beschreibung nahezu unmöglich machen. Es bleibt also viel Raum für Spekulationen und so gingen auch die Meinungen der Besucher bei dieser Frage auseinander.
Der Historiker kennt die Stadt fast so gut wie seine eigene Westentasche, hat hier von 1995 bis 2005 im Stadtarchiv gearbeitet und verschiedene Projekte begleitet. »Die neuen Erkenntnisse aus der Stadtgeschichte sind schon ein Jahr alt«, erzählt der Historiker schmunzelnd und meint damit sein Buch »Halle in Westfalen. Geschichte(n) einer Stadt am Teutoburger Wald«. Dies ist im April 2005 erschienen.
Darin nachzulesen ist auch vom Übergriff auf die jüdische Familie Stern im Jahre 1809, die aktenkundig geworden ist und Heckert vortrug. Während einer Hausdurchsuchung wurden die Familienmitglieder mit Tritten und Hieben so schwer misshandelt, dass Sterns schwangere Frau daraufhin eine Fehlgeburt erlitt. Zwei deutsche Gendarmen und der damalige stellvertretende Bürgermeister, der tatenlos zuschaute, wurden angeklagt und auch mit Gefängnis- und Geldstrafen verurteilt, was Heckert für bemerkenswert hält: »Hier traf preußische Gesinnung auf französische Vorstellungen von Rechtsstaatlichkeit.« Mit der war es 1813 nach der Niederlage Napoleons in der Völkerschlacht bei Leipzig wieder vorbei, und auch in Halle wehte wieder die preußische Flagge.
Heckerts zweites großes Thema war die Aufarbeitung der NS-Zeit im Rahmen der Entnazifizierung. Der Historiker hat recherchiert, dass von 807 NSDAP-Mitgliedern in Halle 75 entnazifiziert worden sind. Zehn von ihnen hätten mehr als ein Berufungsverfahren angestrebt, um eine Wiedereinstellung oder gar Entlastung zu erreichen. Meist sogar mit Erfolg. Heckert erklärte dies mit zunehmender zeitlicher Distanz, die Verfehlungen und Verstrickungen in ein milderes Licht rücken würden. Als Beispiel nennt er den Fall des Haller Verwaltungschefs, der seit 1937 in der Partei war. Zunächst in Kategorie 2 eingestuft, gelang es ihm im Berufungsverfahren, lediglich als Mitläufer eingestuft zu werden und wieder eine leitende Position zu erlangen.
Heckert betonte zudem noch einmal, dass es sich bei seinem Buch um die Fortschreibung der Arbeit von Heinrich Meise aus den 60er Jahren und nicht um eine Neuschreibung handele. Die Arbeit würde um neue Themen ergänzt und eröffne einen zeitgemäßen Blickwinkel. Er bedankte sich bei dem Chronisten für seine Unterstützung.

Artikel vom 05.04.2006