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Kraftvoll und
mit tiefer
Innerlichkeit

Matthäus-Passion eindringlich dargeboten


Bünde (BZ). Einige hundert Zuhörer hatten den Weg in die Pauluskirche gefunden, um eines der einzigartigsten Werke der Chorliteratur zu hören: die Matthäus-Passion von Johann Sebastian Bach. Unter dem trefflich agierenden Kirchenmusikdirektor Hans-Martin Kiefer musizierten die Bünder Kantorei, der Schulchor des Freiherr-vom-Stein- Gymnasiums unter Leitung von Kerstin Thomas, das Telemann-Collegium Herford, Jutta Potthoff, Sopran, Antje Gnida, Alt, Jörg Nitschke, Tenor, Ulrich Schütte und Andreas Jören, beide Bass. Letzterer war sehr kurzfristig für den erkrankten Bassisten Daniel Blumenstein eingesprungen. Alle Beteiligten gestalteten die Passion so eindringlich schön, dass sich das Publikum noch lange an dieses Ereignis erinnern wird.
Schon mit dem Eingangschor »Kommt ihr Töchter, helft mir klagen« zeigte die Bünder Kantorei, dass sie einem weiteren Meilenstein in ihrer Chorgeschichte entgegenstrebte. Kraftvoll und mit tiefer Innerlichkeit präsentierte sich der Chor in achtstimmiger Doppelchörigkeit, über dem sich der Kinderchor mit seinen herrlich klaren Stimmen als Cantus firmus mit der Choralzeile »O Lamm Gottes unschuldig geschlachtet« entfaltete. Ein großer Klangkörper, getragen vom ebenfalls doppelchörig besetzten Orchester, den Hans-Martin Kiefer souverän und mit intensiver Gestaltungskraft führte. Allein schon nach diesem Eingangschor zeigte sich das Publikum sichtlich beeindruckt und dieser Eindruck sollte sich noch intensivieren und zu einem hervorragenden Gesamtergebnis runden. Wunderbar gelangen dem Chor die Choräle, aus denen der gläubige Christ Johann Sebastian Bach sprach. Immer traf der Chor den entsprechenden Duktus, ob tief traurig wie in »O Haupt voll Blut und Wunden« oder kraftvoll und voller Vertrauen wie in »Was mein Gott will«. Eine große Herausforderung für den Chor stellten die verschiedenen Turbae-Chöre, die Volkschöre, dar. Durch die hervorragende Stimm- und Interpreationsschulung verwandelten sich Sänger und Sängerinnen wechselweise in die verschiedenen, agierenden Personen der Passionsgeschichte. Ob als fragende Jünger im ersten Teil oder als aufgebrachtes jüdisches Volk, dass Jesus Tod von Pilatus einfordert, immer zeigte sich der Chor präsent und stimmlich höchst flexibel, was der Interpretation sehr zugute kam. Besonders gelungen wirkte der Chorsatz »Sind Blitze, sind Donner in Wolken verschwunden«, in dem die beiden Chören ein wahres stimmliches Höllenfeuer entfachten und dem Zuhörer die Blitze förmlich um die Ohren flogen. Dieses spannungsreiche Gestaltungsmoment konnte der Chor hervorragend bis zum wunderbaren Schlusschor »Wir setzen uns mit Tränen nieder« durchhalten, den alle Beteiligten noch einmal mit viel Inbrunst und Gespür für eine warmherzige Interpretation vortrugen.
Neben dem Chor, der zusammen mit dem hervorragend agierenden Telemann-Collegium, die Aufführung zu einem wahren Kunstgenuss werden ließ, traten die fünf Solisten, allen voran der ausgezeichnete Tenor Jörg Nitschke, der eine wirkliche Entdeckung für die Bünder war. Mit seiner angenehm flexibel modulierenden Stimme gestaltete er die Partien des Evangelisten in allen Facetten perfekt. Nirgends war eine Schwäche auszumachen. Immer zeigte er sich präsent und interpretatorisch absolut sicher. Nicht zuletzt die bemerkenswerte Begleitung durch Christoph Grohmann, Orgel und Michael Crossen, Cello, als Continuo-Gruppe trug zu diesem hervorragenden Gesamteindruck bei. Neben der umfangreich Evangelisten - Partie übernahm Jörg Nitschke auch noch die Tenor-Arien, die er allesamt wunderschön interpretierte. Dabei konnte man vor allem seine schöne Melodieführung bei den zahlreichen Melismen beobachten und die klangliche Schönheit seiner Stimme in der Höhe bewundern.
Auch Antje Gnida und Andreas Jören präsentierten ihre Stimmen sehr präsent und wohl ausgebildet. Mühelos führten sie ihre Stimmen durch die schwierigen Partien, so dass es für den Zuhörer ein wirklicher Genuss war. Besonders die Bass-Arien mit dem einzigartigen Gamben-Spieler Rainer Zipperling wirkten tief beeindruckend.
Mit Ulrich Schütte, der die Christus-Partie sang und Jutta Potthoff als Sopranistin waren in diesen Partien zwei Künstler verpflichtet worden, die den Bündern keine Unbekannten sind. Leider waren beide an diesem Abend stimmlich etwas indisponiert, so dass man weniger die klangliche Schönheit ihrer Stimmen bewundern konnte, als vielmehr ihre gestalterischen Möglichkeiten. Ein wenig schade war es schon, dass gerade in so mancher Sopran-Arie der überhöhende Klang bei den Spitzentönen fehlte, während man dem Bass durchaus das Leiden Christ bildlich ansehen konnte.
Dass diese Aufführung der Matthäus - Passion zu solch einem herausragenden Konzertereignis werden konnte, lag natürlich maßgeblich an dem einfühlsamen Dirigat von Kirchenmusikdirektor Hans - Martin Kiefer. Bei ihm liefen alle Fäden zusammen. Mit nur wenigen Gesten, aber stetiger Präzision verlangte er von seinen Sängern und Musikern höchsten Einsatz und führte sie so immer präsent durch diese Aufführung. Alle intensive Probenarbeit, Stimmschulung, Auswahl von Orchester und Solisten kulminierten in diese drei Stunden Aufführung der Matthäus - Passion, die beim Publikum sicherlich einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen hat. Lang anhaltender Applaus zeigte allen Mitwirkenden, wie sehr das Publikum ergriffen war und welch großen Gefallen es an diesem besonderen Konzert gefunden hatte. Heike Susanne Festerling

Artikel vom 05.04.2006