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Ein »Königreich« im Ausnahmezustand

Ausverkauftes Haus bei den Feierlichkeiten des Bürgervereins Gestringen zum 30. Geburtstag

Von Andreas Kokemoor und Felix Quebbemann (Text und Fotos)
Gestringen (WB). Der Bürgerverein Gestringen ist eines der kulturellen Zugpferde Espelkamps. Das wurde am Wochenende bei den Feierlichkeiten zum 30. Geburtstag des Vereins deutlich. Denn an zwei Tagen hieß es: »Ausverkauft!«.
Addi Alexis Schaefer nahm viele Glückwünsche entgegen.

Handgemachter Blues, Country, Balladen und Geschichten aus alten Zeiten, umrahmt von humorvollem Gedankengut, standen am Freitagabend auf dem Programm.
»Ich hätte nie gedacht, dass der Verein einmal 30 Jahre wird«, hieß Addi Alexis Schaefer die Gäste in der Alten Schule mit dem Türmchen willkommen. Kultur in Gestringen vor drei Jahrzehnten kaum für möglich gehalten, sei heute nicht mehr wegzudenken. Addi blickte zurück auf die Anfänge. Die Alte Schule zu erhalten und mit Leben zu erfüllen, war der Wunsch der Gründerväter gewesen. Ein Vorhaben, das sich bis heute gelohnt hat. Er dankte dem treuen Publikum und den Künstlern, die »die Kultur in Vorgestringen« möglich machen. Der Dank galt auch seiner Frau Monika und den drei Töchtern.
Dann bestimmte Musik und Literatur den Abend. Mit dabei waren drei von Addis liebsten Weggefährten: Molle, Phil Shackleton und »Country-Rudi«. Zum ersten Mal in Gestringen vertreten und gleich zu Hause fühlte sich Janusz an der Geige.
Mit Gitarre, Querflöte sowie Mundharmonika brachte Molle bekannte Balladen und selbstgeschriebene Stücke, in dem er auf »Missstände vor seiner Haustür« aufmerksam machte, zu Gehör. Phil Shackleton zeigte sich von dem Flair in der Alten Schule wieder einmal begeistert. »Gestringen hat etwas Besonderes, das es anderswo nicht gibt.«
Natürlich gab auch Addi mit Rezitationen von Joachim Ringelnatz bis zu Francois Villon ein umfangreiches und amüsantes literarisches Repertoire zum Besten. Doch besonders die Verse, Sätze und Lebensweisheiten seines verstorbenen Freundes Karl-Friedrich Stachelbeck, dem »Haus- und Hof-Philosophen« des Bürgervereins, ließen nicht nur Addi, sondern das gesamte Publikum an den lebenslustigen Direktor des Circus Krönchen zurückdenken. »Wenn das Schicksal nicht durch die Tür kommt, dann durch den Keller« - nur eine seiner Weisheiten.
Anschließend betrat »Country Rudi« die »Kleinstkunstbrettelbühne«. Es war beinahe Mitternacht, als er »Good morning blues« erklingen ließ. Was dann folgte war eine mitreißende »Jam-Session« aller Musiker, deren Spielfreude durch hervorragende Improvisationen das Publikum begeisterte. Bis gegen vier Uhr wurde in der Schule gefeiert.
Am Sonntag stand ein großer Empfang auf dem Programm. Mit Drehorgelklängen von Rolf Dunger wurden die Gäste, unter ihnen Bürgermeister Heinrich Vieker, Vertreter von Rat und Verwaltung und Kreisheimatpfleger Gerhard Franke, am Eingang der Alten Schule begrüßt. Zaubertricks von Stephan Lammen stimmten die Gäste ein. Dabei bedurfte es keiner großen Showeffekte. Lammen gefiel mit flotten Sprüchen und »zauberhaften Illusionen« am tragbaren Tischchen. Eine Kaubonbon-Packung erwächst aus einem kleinen Feuerball -Ê nur eine der großartigen Vorführungen des Zaubermeisters. Am Piano erklangen plötzlich die swingenden Klänge von Frank Muschalle, der durch seine perfekte Technik überzeugte. Traumhaft sicher flogen die Finger über die weißen und schwarzen Tasten und ließen keinen Zweifel aufkommen: Hier sitzt ein Meister am Instrument, dem es sofort gelang, mit seiner unvergleichlich spielerischen Art und seiner charmanten Ausstrahlung das Publikum zu erreichen.
»Das Linksherumdenken war das, was uns so geprägt hat«, erklärte Addi in einer kurzen Ansprache, in der er das gesamte Team des Bürgervereins lobte. Ein weiterer Dank ging an Rat und Verwaltung für die Unterstützung sowie an Förderer des Vereins, wie Paul und Karin Gauselmann. Ohne sie seien zum Beispiel die Nacht der Komödianten und das Hafenfest undenkbar.
Als einen »Großmeister der Kleinkunst« und »Barocke Persönlichkeit« bezeichnete Bürgermeister Vieker den Bürgervereins-Präsidenten Addi Schaefer. Vieker stellte in einer humorvollen Rede fest, dass der »Bürgerverein das demokratische Bindeglied zwischen der Stadt Espelkamp und dem Königreich Vorder-Gestringen« sei. »Wir erkennen die Grenzen des Königreichs Vorder-Gestringen an.« Es sei der Stadt eine Herzensangelegenheit, den Verein zu unterstützen. Dieser habe das kulturelle Leben der Region verändert und Vieker dankte Addi dafür, dass er immer für die Kultur gekämpft habe. In einer emotionalen Rede machte Eberhard Köppen, Direktor des Circus Krönchen, darauf aufmerksam, dass der Circus im Moment in Schwierigkeiten stecke und rief das Publikum zur Unterstützung auf. »Wir brauchen viel Kraft.«

Artikel vom 03.04.2006