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Das Saisonfinale weiß zu überzeugen

»Jesus Christ Superstar« bietet tolles Schauspiel und Musik im Neuen Theater Espelkamp

Von Sonja Gruhn
Espelkamp (WB). Mit der äußerst eindrucksvollen Aufführung des Rock-Musicals »Jesus Christ Superstar« von Andrew Lloyd Webber und Tim Rice, beendete das Neue Theater die Spielsaison. Schauspieler, Bühnenbild und Orchester überzeugten, auch wenn letzteres, eine Spur zu gewaltig den Mikrofonstimmen entgegen stand. Zu Mauern, Bögen und Treppen ließen sich die Elemente des Bühnenbildes zusammensetzen.

Das helle Sandsteindekor lieferte den geeigneten Kontrast und suggerierte fremdländische Umgebung. Requisiten waren so gut wie nicht vorhanden, fehlten aber auch nicht. Dusan Vitazek in der Rolle des Jesus entsprach dem Idealbild der Hauptfigur nicht nur rein äußerlich. Sein leidenschaftliches Spiel riss mit und entfachte Emotionen. Aus der Sicht von Judas, ebenfalls eindrucksvoll dargestellt von Petr Gazdik, wird die Geschichte von Jesus, dem Anführer, und seinen Anhängern erzählt. Jesus gefällt sich in der Rolle des Verehrten und scheint die Hysterie um ihn herum eher mit Wohlwollen zu belächeln und das Bad in der Menge zu genießen.
Die Warnungen JudasÕ, der mit Besorgnis beobachtet, wie die neue ethisch-religiöse Bewegung zum Ziel von Fanatikern wird, schlägt der Anführer in den Wind. Zugang zu seinem Seelenleben scheint einzig Mary Magdalene (Jana Musilová) zu haben. Sie bemuttert ihren Schützling wie ein Kind. Doch die Aufmerksamkeit des Hohenpriesters Caiaphas, verkörpert von Igor Ondricek, ist bereits erregt. Und auch seine warnenden Worte verhallen ungehört.
Jesus wirkt wie der Star in einer Fernsehshow, während das Volk um ihn herum singt und tanzt. Doch Jesus' Anhänger sind unersättlich, fordern immer mehr von seiner Kraft und beginnen, ihn aufzuzehren. Er scheint von der Menge verschlungen zu werden, droht zusammenzubrechen. Ekstatische Tänze, leicht bekleidete Frauen und wilde Musik kündigen das Chaos an. Jesus gebietet dem ausschweifenden Leben Einhalt und vertreibt Händler und Geldwechsler aus dem Tempel.
Judas ist hin und her gerissen. Er will helfen und sieht nur in der Inhaftierung des Anführers eine Chance, Gewalt unter der Bevölkerung zu verhindern. So wird aus dem Freund der Verräter, der für einen Beutel Silberlinge, die er nur widerwillig an sich nimmt, den Priestern den geeigneten Ort für die Festnahme nennt.
Die Bühne taucht in ein dunkelrotes Licht, während sich die Apostel zum letzten Abendmahl versammeln. Obwohl Jesus um sein Ende weiß, nimmt das Schicksal seinen Lauf und Judas muss erkennen, dass er selbst dafür gesorgt hat, dass die Bestimmung Jesus auf Erden vollendet wird. Mit der Erkenntnis, genau das Gegenteil von seinem Bestreben erreicht zu haben, erhängt sich Judas völlig verzweifelt.
Die Anhänger stellen sich gegen Jesus, fühlen sich betrogen und fordern seine Verurteilung. Doch weder Statthalter Pontius Pilatus (Karel Skarka) noch der lebensbejahende und den Annehmlichkeiten des Seins zugetane König Herod (Jan Mazak) mögen den Gefangenen aburteilen.
Pilatus, selbst von der Unschuld Jesus überzeugt, lässt ihn foltern, nur um die Menge zufrieden zu stellen. Die Peitschenhiebe klatschen auf den Rücken, der Leib des erniedrigten Anführers bäumt sich vor Schmerz immer und immer wieder auf. Schließlich ist das Todesurteil gesprochen. Unter der Last eines riesigen Holzkreuzes stolpert Jesus über die in blutrotes Licht getauchte Bühne, bricht zusammen und wird sogleich an das Kreuz genagelt und aufgestellt. Die Klageweiber und Mary Magdalene beweinen Jesus und dessen Sterben. So scheint der Plan, Jesus zum Superstar zu machen, doch Vollendung gefunden zu haben.
»Jesus Christ Superstar« wurde am 12. Oktober 1971 im Mark Hellinger Theater in New York uraufgeführt. Die Musik wurde von der Musical-Legende Andrew Lloyd Webber geschrieben. Trotz des Widerstandes vieler religiöser Gruppen wurde das Stück ein Kassenerfolg.

Artikel vom 04.04.2006