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Nach dem Konzert war es minutenlang still

Unter die Haut gehend: Pianist Roland Pröll begeisterte Publikum in neuapostolischer Kirche


Von Dorothea Kurznick
Herford (HK). Ein unter die Haut gehendes Klavierkonzert erlebten etwa 230 Zuhörer in der akustisch gut ausgestatteten Kirche der Neuapostolischen Gemeinde Herford, Hermannstraße. Das Konzert war eine gelungene Kombination von intelligenter, humorvoller Einführung zu den Vortragsstücken (Schumann, Brahms, Chopin, Mozart und Beethoven) und meisterlich phantasievoller Darbietung am Instrument.
Roland Pröll begann mit der leidenschaftlichen Fantasie op. 17 von Schumann, die die Zerrissenheit des Komponisten wegen seiner Liebe zu Klara wiederspiegelte. Dem Pianisten gelang der große Bogen, der in diesem Werk wegen der Vielzahl der rhapsodisch angelegten musikalischen Elemente außerordentlich schwer zu erreichen ist. Außerdem meisterte Pröll die enormen technischen Schwierigkeiten der Fantasie mit Bravour.
Die folgenden Balladen von Brahms (op. 10 Nr. 2 und 4) und Chopin (Nr. 4 f-moll op. 52) wurden von Pröll in klangliche Kunstwerke verwandelt, wobei viele pianistische Farben, Schattierungen und atmosphärische Zauberwelten eine besondere Innigkeit und Andacht bei den Zuhörern hervorriefen.
In der Interpretation stand die durch die Einsamkeit und nordische Schroffheit erzeugte Dunkelheit der Balladen von Brahms kontrastierend der Sonnigkeit der Ballade von Chopin beeindruckend gegenüber.
Nach kurzer Pause gab es die Leichtigkeit Mozartscher Musik in der Miniatur der Fantasie d-moll, die auf kleinem Raum auch zahlreiche Ausdrucks-Variationen offenbart. Pröll fand auch hier den angemessenen Stil und die dazugehörenden Klangfarben. Nach einer kurzen Lesung aus dem Roman »Doktor Faustus« von Thomas Mann, der sich zu einem bedeutenden Teil mit dem ungeheuren 2. Satz (Arietta) der letzten Klaviersonate op. 111 c-moll von Beethoven befasst, erlebten die Zuhörer den musikalischen und philosophischen Höhepunkt des Konzerts. Pröll gelang es, das Publikum derart in eine entrückte Welt zu entführen, dass am Schluss des Vortrags eine minutenlange Stille entstand, bevor es lang anhaltende »standing ovations« gab. Der Pianist beendete das Konzert mit einer delikat zelebrierten Zugabe, dem Nocturne op. 27 Nr. 2 des-dur von Chopin.

Artikel vom 03.04.2006