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Von Michael Robrecht

Diese
Woche

Quo vadis Kurklinik?


In dem renommierten Schweizer Kurort Davos schließen die Klinken. Nachdem der Kostendruck im Gesundheitswesen immer stärker geworden ist, bleiben die Patienten weg, und auf dem »Zauberberg« wird die Luft dünn. Früher, als Thomas Mann seinen gleichnamigen Roman in dem Alpenort spielen ließ, schickten Ärzte aus ganz Europa Lungenkranke nach Davos. Bald gibt es von den 24 Sanatorien 1950 nur noch fünf. In Davos werden neue Trends ausgelotet. Und die gehen in Richtung Lifestyle und Well-Being. Auch die kosmetische Chirurgie gilt als Markt. »Wir werden künftig auf Selbstzahler setzen müssen, und die verlangen von uns mehr als nur ein Face-Lifting«, sagen die Klinikleitungen.
Was hat das Beispiel Davos mit dem Kreis Höxter zu tun? Sehr viel. Davos könnte man auch in Höxter (WBK), Bad Driburg (Kurkliniken) oder Bad Hermannsborn umbenennen. Die Probleme sind ähnlich. Wie sichere ich mein Kurgastaufkommen? Welche Angebote haben Zukunft? In dieser Woche ist viel über die Pläne der Barmer Ersatzkasse berichtet worden, ihre Bad Hermannsborner Klinik - viele vergleichen dieses schöne Stückchen Erde gerne mit dem Flair des Schweizer »Zauberberges« - nach 80 Jahren zu verkaufen. Sechs Interessenten haben Angebote abgegeben. Bis zum Sommer ist verkauft.
Diese Entwicklung hat auch mit den Problemen von Davos zu tun. Welche Nischenbehandlungen muss ich anbieten, um auf Dauer am Markt bestehen zu können? In Bad Hermannsborn setzt die Klinik auf Diabetes, Herz- und Kreislauf - und auf die Privatzahler! 90 Prozent Auslastung sind Früchte dieser erfolgreichen Schwerpunktsetzung nach dem 23-Millionen-Euro-Umbau 2001. Aber reicht das? Knackpunkte sind hohe Abschreibungskosten, der Kapitaldienst und ein wunderschöner 18-Hektar-Park, der Luxus ist. Hohe Personalkosten für 190 Mitarbeiter (teure Gärtner und Reiningungskräfte) und jetzt die Tarifforderungen ärgern die Barmer. Und: Was ändert sich mit der Gesundheitsreform für den Reha-Bereich? Damit die Klinik in zehn Jahren noch besteht, zieht die Krankenkasse nun einen Strich. Man hat Standort und Wohl der Mitarbeiter im Auge, sucht deshalb einen potenten und kompetenten Partner. Ganz im Trend der Zeit.
Hätte die Barmer auf die Verkaufsabsicht verzichtet, wenn die Mitarbeiterschaft einem Haustarifvertrag und »Hermannsborner Lösungen« zugestimmt hätte? Darüber zu reden ist müßig, denn es ist nicht verhandelt worden. Ob das gut oder schlecht ist, wird sich nach dem Betreiberwechsel zeigen. Im Klinikgeschäft ist soviel Bewegung wie noch nie. Dort gilt der knallharte Gorbatschow-Satz »Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben«.

Artikel vom 01.04.2006