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Schlimmer als im Ruhrpott

Richter: »Ausbildungsplatzsituation ist Super-GAU«

Herford (bex). »Verheerend, zum Verzweifeln, katastrophal, der Super-GAU.« Thomas Richter sucht lange nach einer passenden Negativ-Beschreibung für die Lage auf dem Ausbildungsmarkt.

Denn die Zahl der bei »seiner« Agentur für Arbeit gemeldeten Ausbildungsstellen hat in den ersten sechs Monaten des Ausbildungsjahres einen neuen Tiefstand erreicht. Die Betriebe und Verwaltungen in den Kreisen Herford und Minden-Lübbecke meldeten von Oktober bis März nur 1 795 Lehrstellen, 581 oder ein Viertel weniger als im Vorjahr.
»Seit Jahrzehnten sind es erstmals weniger als 2000 Stellen.« In den vergangenen fünf Jahren hat sich damit deren Zahl mehr als halbiert. Gleichzeitig meldeten sich 3826 Bewerber bei der Berufsberatung, so viele wie seit fast 20 Jahren nicht mehr. »Und die Bewerberzahlen werden bis 2012 steigen.« Mittlerweile habe der Agenturbezirk Herford eine schlechtere Stellen-/Bewerberbilanz als die krisengeschüttelten Ruhrgebietsstädte: Mit 47 Stellen auf 100 Jugendliche ist das die negativste Relation in OWL und auch deutlich unter dem Landesschnitt (62 Stellen für 100 Bewerber). Von den gemeldeten Stellen waren im März noch 825 unbesetzt, ihnen standen 2370 suchende Jugendliche gegenüber. Mehr als die Hälfte der Bewerber kommt mittlerweile aus der Warteschleife, sucht also bereits zum wiederholten Mal. Verlierer seien vor allem die rund 20 Prozent Bewerber mit Migrationshintergrund.
Zu Beginn des Jahres hatte die Agentur für Arbeit erneut 3000 der 14 000 Betriebe im Bezirk angeschrieben, damit sie freie Ausbildungsplätze melden. »Auch nach weiteren telefonischen und schriftlichen Nachfassaktionen blieb die Zahl der Meldungen gering«, zeigt sich auch Günter Leßmann, Teamleiter der Berufsberatung, ratlos. Thomas Richter sieht trotz intensiver Bemühungen aller Akteure vor allem die Wirtschaft in der Pflicht: »Am Einsatz der Berufsberater soll es nicht mangeln. Ausbildungsplätze backen können sie aber nicht. Das können und sollten andere.« Wenn dies nicht gelinge, blieben auch Instrumente wie Verbundausbildung, »Berufsfachschule plus« oder regelmäßige Ausbildungsplatzbörsen nahezu wirkungslos.

Artikel vom 31.03.2006