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Schuster Schulz wandert aus

Geschäftsübergabe am 1. April an Alexander Leitner - Ziel ist Kanada

Von Monika Schönfeld
(Text und Fotos)
Schloß Holte-Stukenbrock (WB). »Zwei Leute kennt man im Ort. Den Bürgermeister und den Schuster.« Einer der Schuster, Viktor Schulz, wandert aus nach Kanada. Sein Geschäft an der Holter Straße im Marktkauf-Zentrum übergibt er zum 1. April an Alexander Leitner, den er angelernt hat.

Viktor Schulz ist in Kasachstan aufgewachsen und lebt seit 27 Jahren in Deutschland. Sieben Jahre verbrachte der heute 46-Jährige in Bielefeld, zog dann in den Schwarzwald nach Villingen-Schwenningen, wo er das Handwerk des Schuhmachers lernte, seit zehn Jahren lebt er mit seiner Frau Rita und seinen sechs Kindern in Schloß Holte-Stukenbrock. Seine Silberhochzeit wird er am 26. April noch in Schloß Holte-Stukenbrock feiern, im Mai wird er seine 24-jährige Tochter auf deren Wunsch trauen - im Juni soll es dann mit seiner Frau und den vier jüngeren Kindern über den großen Teich gehen, in die kanadische Provinz Manitoba in die Kleinstadt Swan River.
»Es war eine Familienentscheidung«, sagt Viktor Schulz. Er beobachte die Entwicklung in Deutschland und Europa mit Sorge. »Ganz ehrlich: Das kann ich meinen Kindern nicht zumuten.« Europa bringe zwar die Menschen näher zusammen - und das sei positiv. Europa stehe aber nicht zu seinen christlichen Werten und der kulturellen Vergangenheit. Die Menschen wendeten sich bewusst davon ab - »und das kann nichts Gutes bringen«. Viktor Schulz sagt, er wisse, was es heißt, wenn viele Völker zusammen lebten. »In der ehemaligen Sowjetunion war es eine atheistische Gesellschaft, und die sehe ich in Europa kommen.« Von Freunden, Bekannten und Verwandten, die bereits in Kanada leben, wisse er, das dies eine Gesellschaft sei, die Fremden mit Offenheit gegenübertrete und den Anderen so akzeptiere wie er sei. In der Nachbarstadt von Swan River könne er eine Schuhmacherei mit Orthopädietechnik sofort übernehmen. Bis zum Juni versucht sich Viktor Schulz gemeinsam mit seiner Frau mit Kanada auseinanderzusetzen und Englisch zu lernen - mit Kassetten und Vokabeltraining. Wenn er dann in Nordamerika ist, soll sich ein Intensivkurs anschließen. »Die Kinder haben es leichter. Sie lernen Englisch in der Schule.«
Schulz schätzt die Arbeitsmöglichkeiten in Kanada besser ein als in Deutschland, vermutet aber, dass das Leben dort nicht leichter, aber anders ist. »Wir werden uns auf neue Beziehungen einlassen und uns einleben.«
Viktor Schulz ist nicht nur Schuhmacher. Er hat drei Jahre lang am Bibelseminar in Lemgo Theologie studiert und ist engagiert in der Evangeliums-Christengemeinde an der Mergelheide. Dort ist er im Kirchenvorstand und als so genannter Mitältester im Kirchenrat. Als zweiter Pastor darf er Trauungen und Taufen vornehmen und die Gottesdienste bei Beerdigungen halten. Seinen Sohn hat er getraut, seine Tochter wünscht das ebenso. Seine beiden Ältesten bleiben mit ihren Familien in Schloß Holte-Stukenbrock.
Viktor Schulz gibt einiges auf. Sein Geschäft sei mehr als ein Beruf gewesen. Den Kontakt mit den Menschen und das Vertrauen, das sie ihm entgegen gebracht haben, wird er vermissen. »Ein Schuh ist nicht nur ein Stück Leder, Stoff oder Kunststoff. In jedem Schuh steckt ein Stück Persönlichkeit und Kultur.« Schulz ist froh, dass er für sein Geschäft einen Nachfolger gefunden hat, der ebenso mit Leidenschaft arbeitet wie er selbst. Alexander Leitner (46) ist angelernter Schuster und wird auch den Schlüssel- und Sicherheitsdienst, Gravuren und Paketshop wie die Schuhreparatur weiter betreiben. Er hat vorher im Metallbereich gearbeitet und kennt sich mit Schlüsseln und Sicherheitsschlössern aus.

Artikel vom 30.03.2006