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»Wert nicht an der Schulform messen«

OPG-Schulleiter Erich Heine übt Kritik an Novellierung des Landesschulgesetzes


Hiddenhausen (HK). Beim Besuch von Regierungspräsidentin Marianne Thomann-Stahl am Montag in der Gemeinde hat Erich Heine, Leiter der Olof-Palme-Gesamtschule, deutlich Kritik an der Novellierung des Landesschulgesetzes geübt. Kern der Kritik ist die Empfehlung der Grundschulen zum Besuch weiterführender Schulen. Hier wird die Gesamtschule als Schulform deutlich benachteiligt, meint Heine. Er trug der Regierungspräsidentin, die versprach, sich einsetzen zu wollen, vor: »Die Palme-Gesamtschule ist neben den sechs Grundschulen in jedem Ortsteil die einzige weiterführende Schule, aber nicht die weiterführende Schule für Hiddenhauser Kinder und Jugendliche. Mehr als die Hälfte aller Schüler verlassen jeden Morgen das Gemeindegebiet mit dem Bus in die verschiedenen Nachbarorte. Das wurmt den Schulleiter seit 18 Jahren und den Bürgermeister auch schon länger.
In der Ursachenforschung lässt sich ein Aspekt herausschälen: Eine Schule wird nicht nach der Qualität ihrer Arbeit bewertet, sondern welche gesellschaftliche Anerkennung sie als Schulform erfährt. Tenor: Mein Kind ist wertvoll, wenn es das Gymnasium besucht. Mit der Novellierung des Schulgesetzes wirkt die Landesregierung diesem Sachverhalt nicht entgegen, sondern verstärkt noch eine Mentalität, die durch Auf- und Abstiegsdenken und die damit verbundenen Wertigkeiten im Schulwesen gekennzeichnet werden kann. Diese Mentalität ist nicht vereinbar mit einer Pädagogik, die den Wert eines jungen Menschen nicht an der Schulform misst, die er oder sie besucht hat.
Um mein konkretes Anliegen zu verdeutlichen: Den Stellenwert des Grundschulgutachtens zu erhöhen, verstärkt diese Mentalität des Sortierens nach Wertigkeiten. Dabei ist meines Erachtens längst überzeugend nachgewiesen, dass Grundschullehrkräfte überfordert sind für Zehnjährige, und in Zukunft sollen es sogar Neunjährige sein, eine Prognose über den weiteren Bildungsweg abgeben zu können. Für die Gesamtschule wäre es schlimm, wenn - wie meines Wisssens beabsichtigt - zukünftig am Ende des Gutachtens nicht mehr die Alternative Gesamtschule oder eine der drei Schulformen des gegliederten Schulsystems bestände, sondern die Grundschullehrkräfte gezwungen wären, nur noch eine Schulform des gegliederten Systems zu nennen. Das wäre höchst problematisch aus grundsätzlichen pädagogischen Überlegungen und in seiner Wirkung wohl besonders schlimm für die Gesamtschule, die als einzige weiterführende Schule des Ortes arbeitet. Es würde nämlich bedeuten, dass an Hiddenhauser Grundschulen Eltern grundsätzlich nur noch empfohlen werden darf, ihr Kind an einer auswärtigen Schule anzumelden.«

Artikel vom 30.03.2006