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»Steinwürfe« für die Emanzipation

Gelungener Abschluss der »FrauenKulturTage« mit der geballten Frauenpower

Espelkamp (hek). »Der ganze Körper rebelliert: die Haut faltig, die Glieder kalt und zitternd«, die Schilderung des Durststreiks lässt den Zuhörer erschaudern. Am Sonntag beeindruckten Sonja Kargel und Edith Börner in »Damenwahl zum Steinewerfen«, einer szenischen Lesung anlässlich der »FrauenKulturTage«. Die Veranstaltung bildete gleichzeitig den Abschluss der Kulturtage.

In der Stadtbücherei ließen die Kölner Schauspielerinnen den Emanzipationskampf der Suffragetten aufleben. Der Hungerstreik sei schrecklich. Aber er sei nichts gegen die »erbarmungslose Tortur« eines Durststreiks. Die Gesichtszüge fielen ein. Die schwache Stimme quäle sich durch die trockene, verengte Kehle. Anfang des 20. Jahrhunderts traten die Suffragetten mit Nahrungsverweigerung und Gewalt gegen die männerdominierte Ordnung an. Ihre Forderungen: das Frauenwahlrecht und stärkere Gleichberechtigung in Gesellschaft und Beruf.
Edith Börner und Sonja Kargel erweckten die englische Frauenbewegung zum Leben: Virginia Woolf, die gegen Ende der 1920er Jahre zu einer berühmten Autorin aufgestiegen ist, schlägt sich anfangs als Literaturkritikerin durch. Abschätzige Kommentare stehen an der Tagesordnung: »Was interessiert es einen Mann, was eine Frau über sein Buch denkt?« Das »Kratzen einer Feder stört den Familienfrieden« nicht. Was aber, wenn die Frauen ihre Ansichten über Moralität öffentlich äußerten?
Eine Frau, die in damaliger Zeit nach Selbstverwirklichung strebte, musste gesellschaftliche Zwänge überwinden: »Mein Studium in Leipzig habe ich mir durch einen Hungerstreik erkämpft«, erzählt die Komponistin und Dirigentin Ethel Smyth (Edith Börner). In der dargestellten Szene ist die radikale Feministin inhaftiert. Obgleich sie die männliche Staatsgewalt vorerst von Straßenkämpfen abhält, verspricht sie den »Marsch der Frauen« aus der Gefängniszelle heraus, »mit der Zahnbürste« zu dirigiert.
Was wäre aus Shakespeares begabter Schwester geworden? Eine fiktive aber berechtigte Frage. Die Eltern hätten ihr das Buch aus der Hand genommen und sie Strümpfe stopfen lassen.
An irgendeinem Winterabend hätte sie sich umgebracht. Dass dieses Schicksal kein willkürliches Hirngespinst ist, davon zeugt der Selbstmord Virginia Woolfs. In ihrer Jugend von den Halbbrüdern missbraucht, sei sie eine »melancholische Schönheit«, umgeben von einer düster-romantische Aura, geblieben.
Sonja Kargel und Edith Börner verstanden es, die ernste Thematik mit einem gehörigen Schuss Selbstironie umzusetzen: Insbesondere die »Anleitung zum Steinewerfen« ließ ihre komödiantische Originalität zutage treten. »Der Stein wird am höchsten Punkt abgeworfen. Bei zu spätem Loslassen, trifft man den Hinterkopf der Vorderfrau, bei zu frühem, den eigenen«, so die kampferprobten Tipps zum richtigen »Beschleudern« von Pflastersteinen.

Artikel vom 28.03.2006