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Geschäftspleite
wirft Fragen auf

Prozessbeginn am Landgericht

Von Wolfgang Clemm
Kreis Herford (HK). Als der Vorsitzende Richter am Landgericht Reinhold Hülsmann acht Stunden nach Prozessbeginn den ersten Verhandlungstag der IX. Großen Strafkammer (Wirtschaftsstrafkammer) schloss, war nur bruchstückhaft geklärt, warum der Bünder Dr. Klaus L. Ende 2001 eine Riesenpleite mit einem Gesamtschaden von 30 Millionen Mark Gesamtschaden (nach Schätzung des Konkursverwalters) hingelegt hat.

Der heute 70-jährige Angeklagte war Geschäftsführer einer Firma, die hauptsächlich als Shell-Vertragspartner weit über die Grenzen Bündes hinaus bekannt war. Das Unternehmen betrieb eine Tankstelle, einen umsatzstarken Handel mit Heizöl und Treibstoffen und war Deutschlands größter Händler auf dem Gebiet der Schmierstoffe. Der bekannte Autohof an der Autobahn 30 überstieg möglicherweise die finanziellen Kräfte. Zuletzt betrieb Dr. L. sechs Firmen, 38 Lastwagen bzw. -züge waren ständig im Einsatz. »Leider hat mein Bünder Haus- und Hofanwalt keine Ahnung von Insolvenzrecht«, sagte L. vor Gericht.
Wenn man dem eloquenten und temperamentvollen 70-Jährigen folgte, müssten heute noch sämtlichen Unternehmungen wie geschmiert laufen. Am ersten Verhandlungstag wurden nur zwei Zeugen von der Volksbank Enger-Spenge befragt. Bei ihnen hatte Klaus L. im September 2001 einen Kredit über eine Million Mark aufgenommen.
Er hatte seine Absicht erklärt, mehr und mehr Geschäftsaktivitäten auf diese Bank zu leiten, die Auskünfte über Geschäfts- und Privatvermögen erschienen erstklassig. Allein der Immobilienbesitz des Ehepaares und seiner beiden Söhne betrug nach Abzug der Verbindlichkeiten mehr als 20 Millionen Mark.
Frau und Söhne waren Gesellschafter der Firmen, Dr. Klaus L. nur Geschäftsführer, wie er immer wieder betonte. Das Ehepaar leistete Bürgschaften für die Volksbank Enger-Spenge über eine bzw. 1,6 Millionen Mark. Warum diese von dem Geldinstitut nicht zu Geld gemacht werden konnten, blieb unbeantwortet. Allein diese Bank beklagt einen Verlust von 1,8 Millionen Mark.
Für Oberstaatsanwalt Heinrich Rempe und den Wirtschaftsreferenten Rudolf Repohl von der Staatsanwalt waren einige Einlassungen des Angeklagten neu, sie möchten bislang nicht geladene Vertreter von Firmen als Zeugen hören.
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Dr. L. bei seinen Vermögenswerten unwahre Angaben gemacht hat, auch nach dem Insolvenzantrag noch Vermögen auf das Konto seiner Lebensgefährtin überweisen ließ, die Geschäftsführerin und Gesellschafterin einer neuen Firma geworden war. Er soll gegenüber Bankvertretern zugegeben haben, dass er Schecks über 900 000 Mark zwischen den einzelnen Firmen und Banken zirkulieren ließ, um kurzfristige Liquidität zu gewährleisten. Die Verhandlung wird fortgesetzt.

Artikel vom 28.03.2006