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Ergriffen von
Passionsmusik

Pepping-Kreis sang in Lippspringe

Von Günther Kunert
Bad Lippspringe (WV). Der Ernst-Pepping-Kreis lud am Samstag Abend zur »Musik in der Passionszeit« in die Evangelische Kirche Bad Lippspringe, die sich nach der Renovierung als eine gelungene Synthese aus alter Architektur und moderner, lichtbetonter und symbolträchtiger Gestaltung präsentiert.

Mit Kantor Ulrich Schneider hat die Gemeinde einen engagierten Kirchenmusiker, der sich in der Leitung des Ernst-Pepping Kreises ein Vokalensemble organisiert, das sich offenbar der Chormusik des beginnenden 20. Jahrhunderts besonders verpflichtet weiß. Dieses bisweilen zu sehr vergessene Erbe der Musikgeschichte ist mit Komponistennamen wie Pepping, Ahrens, Bornefeld, Reda, Distler und Raphael verbunden.
Die fünfstimmige Choralpassion op. 7 von Hugo Distler bildete das zentrale A-cappella-Werk des Abends. Kantor Schneider stellte beziehungsreich die Psalmvertonung des »Miserere mei« des päpstlichen Kapellmeisters Gregorio Allegri der Distler'schen Choralpassion voran. Die Alternatimspraxis in der Sixtinischen Kapelle im Wechsel von schlichter einstimmiger Gregorianik und ausgeschmückter Mehrstimmigkeit bestimmt diese Komposition, die in der klaren Textdeklamation und in der Gleichförmigkeit den Karfreitags-Beter in eine meditative Haltung bringt. Ganz im Sinne dieses Ausdrucksgehaltes interpretierte das Ensemble die Psalmverse, wobei die mehrstimmigen Passagen den transparenten Chorklang besonders konturierten.
Mit Hugo Distlers »Choralpassion op.7« für fünfstimmigen A-cappella-Chor und zwei Solisten präsentierte der Ernst-Pepping-Kreis ein herausragendes Werk der Passionsvertonungen des beginnenden 20. Jahrhunderts. Das Formelement der Choralvariation über das evangelische Kirchenlied »Jesu, deine Passion« bildet den Rahmen dieses eindrucksvollen Werkes.
Schon der Jubel des Volkes in der Szene »Einzug in Jerusalem« mit der weitreichenden Melodik und der Distler eigenen Polyphonie überzeugte, mehr noch die kennzeichnenden Tanzrhythmen in den Turbae-Chören der Verhöhnungsszene. Der Ernst-Pepping-Kreis lieferte hier überzeugenden Gestaltungswillen, der immer dem konzentrierten Dirigat von Kantor Schneider folgte.
Martin B. Müller übernahm als stets präsenter Tenor mit nuancenreicher Textdeklamation den Part des Evangelisten. Gerade diese innige, textausdeutende Partie gelang mit höchster Expressivität, überdies gestaltete Andreas Petermeier als Bassist die Jesus-Worte, sonor und zugleich die kirchentonale Diktion der Partie interpretierend. Als nach dem dramatischen Part »Jesus vor Pilatus«, der den Chor in besonderer Weise in Konzentration und sperriger Vokalpolyphonie herausforderte, die Sterbeszene in ihrer Schlichtheit erklang, abgeschlossen mit der Choralvariation »Jesu, dir sei ewig Lob«, füllte spürbare Ergriffenheit die Kirche.
Ungeachtet einiger Intonationstrübungen zeigte der Ernst-Pepping-Kreis eine beachtliche Leistung, die ergänzt durch das Bach'sche Choralvorspiel »O Mensch, bewein dein Sünde groß« - durch Michael Kleine tiefgründig gespielt -, dem kennzeichnenden Engagement von Kantor Schneider und seiner Leidenschaft für selten zu hörende Chormusik zu verdanken ist. Nicht Beifall, sondern gedenkendes Verharren bildeten den überzeugenden Schlusspunkt dieser beeindruckenden Musik zur Passionszeit.

Artikel vom 28.03.2006