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Ein Leben voller
spannender Geschichten

Werner Kranz begeht seinen 80. Geburtstag

Von Bernd Steinbacher
(Text und Foto)
Schloß Holte-Stukenbrock (WB). Wer Werner Kranz besucht, sollte Zeit mitbringen. Denn der ehemalige Lehrer und Schuldirektor, der einstige Ortsvorsitzende der SPD und weit gereiste Mann hat viel zu erzählen. Spannende, zum Teil traurige, aber auch zum Nachdenken anregende Geschichten. Werner Kranz feiert an diesem Sonntag im Kreis von Familie und Freunden seinen 80. Geburtstag.

Er ist am 26. März 1926 in Bielefeld geboren, verbrachte dort seine Kindheit: Volksschule, danach die Friedrich von Bodelschwingh-Schule mit Abschluss Abitur. Es war aber nur ein Notabitur, der Krieg forderte sein Recht: Er war Flakhelfer, später lernt Kranz bei der Wehrmacht das Fliegen, da er bereits einen Segelflugschein besaß. »Die Ausbildung im sächsischen Oschatz dauerte seine Zeit. Als ich 1944 fertig war, war das Flugbenzin zum Glück alle«, so Kranz. »So musste ich nicht fliegen.«
Später wurde Kranz in die Nähe von Wien versetzt. Dorthin hatte sich im März 1945 schon die Rote Armee vorgekämpft. »Ich war im Park der Technischen Hochschule Wien als Melder unterwegs, als plötzlich zwei Meter vor mir ein Russe mit der Pistole in der Hand vor mir stand«, erzählt er und ist noch immer tief bewegt von diesem Erlebnis. »Der Soldat hätte mich töten können. Er schoss auch, aber die Kugel, die mich am Knie traf, war nur ein Abpraller.« Kranz ist überzeugt davon, dass der Russe nicht treffen wollte.
Verletzt kam er in einen ungarischen Sanitätszug. Eine Irrfahrt begann. Sie endete in Passau. Dort erlebte der junge Mann den Bombenangriff auf die Stadt mit. Brennende Häuser, Hilfeschreie, der ausgebombte Zug - die Bilder bekommt er nicht aus dem Kopf. »Ich wollte weiter, mich selbst retten, doch irgendwie war ich dann im Keller eines brennenden Hauses. Dort waren sieben Frauen bis zum Hals im Schutt begraben. Ein Baby und alle sieben habe ich irgendwie da 'raus gekriegt.«
Nicht zuletzt aufgrund dieser Kriegserlebnisse ist Werner Kranz strikter Gegner des Irakkrieges, protestierte dagegen und setzt sich immer noch für politische Bildung und die Verständigung der Menschen untereinander ein.
Über mehrere Stationen und nach der Flucht aus der französischen Gefangenschaft kam er zurück nach Bielefeld, traf seinen alten Schuldirektor wieder, machte sein Abitur noch einmal, weil die Amerikaner den Notabschluss nicht anerkannten, studierte zwei Semester Theologie in Bethel, wechselte dann, nachdem er mit Glück einen Studienplatz erhalten hatte, zur Pädagogik und fand darin seine Bestimmung. »Die schönste und beste Zeit meines Lebens war der Aufbau einer einklassigen Schule in Xanten ab 1949«, erinnert er sich. Mehr als 50 Schüler unterrichtete er mit »modernen Methoden«, so konnten die Schüler Pause machen, wenn sie es für nötig hielten, und halfen bei der Vorbereitung der Unterrichtsmaterialien am Nachmittag freiwillig mit.
Der Lehrer muss seine Sache gut gemacht haben, schließlich wird er immer noch zu Ehemaligentreffen eingeladen, und zu seinem Ehrentag kommen zur zweiten Feier am 1. April sogar einige der ersten Schüler nach Schloß Holte-Stukenbrock, um ihm zu gratulieren. Herbert Dissen, ehemaliger Schüler und heute stellvertretender Bürgermeister in Xanten, erinnert sich: »Die Schule machte Spaß. Wir haben viel gelernt und durften diskutieren. Diese Schule wirkt noch heute in uns nach.«
Anfang der 50er Jahre ging Werner Kranz nach Chile, unterrichtete dort Chilenen und Ausländer. 1958 wurde er zum Aufbau einer deutschen Schule nach Bagdad berufen. »Das war spannend, ich habe sogar eine deutsche Radiosendung gemacht - gemeinsam mit dem ostdeutschen Kollegen Peter Spatzek. An einem Tag war die eine politische Richtung dran, am anderen Tag die andere - heftige Debatten inklusive.« Die Diskussionen hätten sein Interesse an der Politik erst richtig geweckt.
Von 1965 an arbeitete er als Dozent am Goethe-Institut in Brasiliens erster Hauptstadt Salvador da Bahia. »Als ich aus dem Ausland zurückkam, wussten Mitarbeiter des Ministeriums nicht so richtig, was sie mit mir machen sollten, da kam ich 1970 an die Grauthoffschule«, so Kranz. Von 1984 bis zur Pensionierung 1990 leitete er in Bielefeld das Schulzentrum West. Eine Gesamtschule hält der engagierte Pädagoge wegen der Durchlässigkeit und der vielen Chancen für alle Schüler, jenseits aller politischer Debatten, für die beste Lösung.
Jahrelang hat er für eine Politik für die Menschen gestritten. Dabei hat er sich mit der Opposition, aber auch mit Parteifreunden überworfen. Der in seiner Jugend konservativ geprägte, überzeugte Christ war für die SPD Vorsitzender des Ortsverbandes Stukenbrock, organisierte die Zusammenlegung mit dem Ortsverband Schloß Holte, war Ratsmitglied und saß im Kreistag. Als er keine Möglichkeit mehr sah, vernünftige Politik zu machen, trat er aus der SPD aus und kandidierte schließlich bei der Kommunalwahl 2004 als Kandidat für das Soziale Bürgerforum (SBF).
Aus der Parteipolitik hat er sich mittlerweile ganz zurückgezogen, verfolgt aber das politische Geschehen genau. Werner Kranz hält auch noch Vorträge zur politischen Bildung für Vereine und Verbände - wer immer aus seinem reichen Erfahrungsschatz etwas hören will.

Artikel vom 25.03.2006