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»Wenn es nur immer so friedlich liefe«

Hundertschaft Polizisten begleitet Demo der Neonazis - Katz- und Mausspiel der Linken

Gütersloh (WB). Kaiserstraße am Bahnhof, nichts geht mehr. Hunderte Meter Sperrgitter, Polizisten, Mannschaftswagen. Kurz vor 12 sollen die Rechten kommen.

Doch sie werden nicht durch den Haupteingang direkt vor die wartenden Gegendemonstranten geführt, sondern über einen seitlichen Gleiszugang. Bevor die Hauptgruppe der Neonazis mit dem Zug aus Hamm eintrifft, schaffen es etwa 50 Antifaschisten, sich - als Neonazis verkleidet - Richtung Aufmarschplatz durchzumogeln. Ein Polizeisprecher vermutet, dass sie mit dem Nahverkehrszug aus Bielefeld gekommen sind. Polizisten führen sie zurück, am Haupteingang des Bahnhofs werden sie mit Applaus und Trillerpfeifen gefeiert. Das Katz- und Mausspiel wird später fortgesetzt.
Flankiert von einer Hundertschaft Polizisten setzt sich die Rechten-Demo in Bewegung. An der Spitze: Axel W. Reitz, erst 23 Jahre jung aber einer der bekanntesten ultrarechten Aktivisten in Deutschland, unter anderem Mitglied des Kampfbundes Deutscher Sozialisten (KDS). Gesichter aus der Gütersloher Szene kann die Polizei nicht ausmachen. Die meisten Marschierer kommen offenbar aus dem Ruhrgebiet.
Am Stohlmannsplatz lassen einige Gegendemonstranten Flaschen fliegen. Der gestreckte Mittelfinger ist die einzige Gemeinsamkeit von Linken und Rechten. Unter der Eisenbahnbrücke skandieren die Nationalisten ihre Parolen besonders inbrünstig. Ein paar hundert Meter weiter, auf der Carl-Bertelsmann-Straße, stoppt die aus gut 150 Personen bestehende Gruppe. Antifaschisten haben die Kreuzung Verler Straße blockiert. Zehn, zwölf Mal bittet Lutz Dönhoff von der 3. Technischen Einsatzeinheit Köln die Blockierer via Lautsprecherdurchsage aufs Freundlichste, das Feld zu räumen. Bis es schließlich von der Polizei geräumt wird. Ein junger Mann, der sich zu arg wehrt, wird vorübergehend in Polizeigewahrsam genommen.
Auf der Holzstraße lädt Axel W. Reitz zum Dialog ein. Zwei linke Demonstranten tun ihre Meinung kund, bevor der rhetorisch trainierte Neonazi seine Phrasendreschmaschine anwirft. Die Rechten johlen. Die Begegnung ist für den Kölner Gesamteinsatzleiter Rechts, Volker Lange (44), das Besondere an dieser Rechten-Demonstration. »Wenn es nur immer so friedlich liefe . . .«
Eine weitere Blockade im Bereich Kreuzstraße räumen die Gegendemonstranten schnell von allein, dann geht's weiter über den Langen Weg zurück zum Bahnhof. Organisator Christian »Ossi« M. erklärt die Demonstration für beendet. Das ist sie für die Polizei erst, als die Rechten in den Zügen verschwunden sind.

Artikel vom 27.03.2006